Gottes Werk und Teufels Beitrag
zu denken, so sehr kamen ihm die Frau – und Melony – jetzt mißbraucht vor. Die rohe Fühllosigkeit des Ponys blieb die gleiche: die unangemessene Passivität der stummen Kreatur. Homer fühlte sich winziger werden, als er jemals gewesen zu sein glaubte.
Melony war gedemütigt; sie stieß ihn zurück. »Zum Teufel mit dir!« schrie sie ihn an. »Was ist mit dir los? Und erzähl mir ja nicht, daß mit mir etwas nicht stimmt!«
»Richtig«, sagte Homer.
»Darauf kannst du wetten, daß es das nicht tut!« schrie Melony, aber ihre Lippen sahen wund aus, und er sah Tränen der Wut in ihren Augen. Sie riß die Matratze unter ihm hervor; dann knickte sie sie zur Hälfte und warf sie zum Fenster hinaus. Die Matratze fiel auf das Dach und blieb halb in der Lücke stecken, die der Fensterladen geschlagen hatte. Das schien Melony zu empören: daß die Matratze nicht sauber bis in den Fluß durchgerutscht war. Sie begann die nächste Schlafkoje neben sich zu zertrümmern und weinte, während sie sie bearbeitete. Homer Wells wich vor ihr zurück, wie er damals vor ihrem Ausbruch über die »Sonnenstrahlen« zurückgewichen war. Er schlich sich die ramponierte Treppe hinunter; als er auf die Veranda hinaustrat, ließ sie ein schrilles Knirschen hören und sackte in Richtung des Flusses, was ihn für einen Augenblick aus dem Gleichgewicht brachte. Er hörte etwas, was sich anhörte, als landeten mehrere Kojenbetten oder das Stück einer Wand auf dem Dach über ihm; er flüchtete aufs freie Gelände. Melony mußte ihn durch das Fenster im oberen Stockwerk gesehen haben.
»Du hast es mir versprochen, Sonnenstrahl«, schrie sie ihm nach. »Du hast versprochen, daß du mich nicht verlassen wirst. Solange ich bleibe, bleibst auch du!«
»Ich verspreche es!« rief er ihr zu, aber er wandte sich ab und fing an, am Ufer entlang flußabwärts zu laufen, auf schnellstem Wege zurück zu den bewohnten Gebäuden von St. Cloud’s und zum Waisenhaus auf dem Hügel über dem Fluß. Er war noch auf dem Uferstreifen am Rande des Wassers, als es Melony gelang, die überhängende Veranda samt Verandadach loszustemmen; er stand da und sah buchstäblich das halbe Gebäude den Fluß hinabschwimmen. Homer stellte sich vor, daß Melony, wenn sie Zeit genug hätte, das Panorama der ganzen Stadt beiseite schaffen könnte. Aber er blieb nicht, um ihr weiteres Zerstörungswerk zu beobachten. Er lief direkt zu seinem Bett im Schlafsaal der Knabenabteilung. Er hob seine Matratze auf; er wollte die Photographie wegwerfen, doch sie war verschwunden.
»Ich war’s nicht«, sagte Fuzzy Stone. Obwohl es mitten am Tag war, lag Fuzzy immer noch im Schlafsaal, in seinem befeuchteten Zelt, was für Homer der Hinweis war, daß Fuzzy einen sogenannten Rückfall hatte. Nachts war das Zelt Fuzzys Zuhause, aber wenn Fuzzy den Tag im Zelt verbrachte, galt das Zelt als seine »Therapie«. Ständig brauchte er auch sogenannte Untersuchungen und täglich eine Injektion. Homer stand neben dem flatternden, atmenden, keuchenden Apparat und fragte Fuzzy Stone, wo die Photographie sei. Homer wurde davon in Kenntnis gesetzt, daß John Wilbur sein Bett so gründlich eingenäßt habe, daß Schwester Angela ihm befahl, sich auf Homers Bett zu legen, während sie die ruinierte Matratze durch eine neue ersetzte. John Wilbur habe die Photographie gefunden; er habe sie Fuzzy und einigen Jungen gezeigt, die gerade in der Nähe waren, unter anderen Wilbur Walsh und Snowy Meadows; Snowy hatte sich übergeben.
»Was ist dann passiert?« fragte Homer Fuzzy, der bereits außer Atem war. Fuzzy war neun; nach Homer Wells war er der älteste Waisenjunge in der Knabenabteilung. Fuzzy sagte, daß Schwester Angela mit der frischen Matratze für John Wilbur gekommen sei und sie die Photographie gesehen und an sich genommen habe. Natürlich habe John Wilbur ihr erzählt, wo er sie gefunden hatte. Inzwischen hatte sicher auch Schwester Edna sie gesehen und Dr. Larch ebenfalls. Homer erwog, John Wilbur zu suchen und ihn zu verdreschen, aber der Junge war zu klein – er würde nur Pipi machen; das wäre ein weiteres Indiz gegen Homer.
»Aber was war es?« röchelte Fuzzy Stone zu Homer.
»Ich dachte, du hast es gesehen«, sagte Homer.
»Ich hab’s gesehen, aber was war es?« wiederholte Fuzzy. Er sah wirklich erschrocken aus.
Snowy Meadows habe geglaubt, daß die Frau die Eingeweide des Ponys aufaß, erklärte Fuzzy; Wilbur Walsh sei weggelaufen. Wahrscheinlich hat John Wilbur noch mehr Pipi
Weitere Kostenlose Bücher