Gottes Werk und Teufels Beitrag
Eames’ Tochter antwortete nicht, darum sagte er abermals: »Tut mir leid.« Er atmete aus. Er meinte zu hören, wie sie ihn rief.
»Doktor Larch!«
»Reimt sich auf screams«, murmelte Wilbur Larch. Er atmete ein, den tiefstmöglichen Atemzug. Seine Hand ließ den Trichter fahren, der von seinem Gesicht und unters Bett rollte.
»Doktor Larch?« sagte Homer Wells abermals. Der Äthergeruch in der Apotheke kam Homer Wells stärker vor als sonst, während er sich durch das Labyrinth der Medizinschränke schob, um zu sehen, ob Dr. Larch auf seinem Bett lag.
»Scheißen Sie, oder runter vom Pott!« hörte er Dr. Larch sagen. (Einatmen, ausatmen.) »Tut mir leid«, sagte Dr. Larch, als Homer neben seinem Bett auftauchte. Er richtete sich zu schnell auf; ihm war schwindlig; der Raum schwamm. »Tut mir leid«, wiederholte er.
»Ist schon gut«, sagte Homer Wells. »Tut mir leid, daß ich Sie geweckt habe.«
»Reimt sich auf screams«, sagte Wilbur Larch.
»Wie bitte?« sagte Homer Wells.
In der geschlossenen Apotheke verbreitete eine duftende Mottenkugel ihre dunstige Botschaft.
»Setz dich, Homer«, sagte Dr. Larch, worauf ihm klar wurde, daß Homer bereits neben ihm auf dem Bett saß. Larch wünschte sich, sein Kopf wäre klarer für diese wichtige Auseinandersetzung mit dem Jungen. Homer erwartete, gemaßregelt zu werden, und zwar in nicht unbestimmten Worten, aber Larch fürchtete, er sei nicht in der besten Verfassung, um mit Bestimmtheit aufzutreten.
»Vandalismus!« legte Larch los. »Pornographie!« Nun, immerhin ein Anfang, dachte er, aber der neben ihm sitzende Junge wartete nur geduldig. Larch holte tief Luft – frischere Luft, wie er hoffte; der Ätherduft in der Apotheke war immer noch sehr penetrant; die Luft in seiner unmittelbaren Umgebung war abwechselnd einschläfernd oder funkelte von kleinen Sternen.
»Vandalismus ist eines, Homer«, sagte Larch. »Pornographie allerdings – was ganz anderes.«
»Richtig«, sagte Homer Wells. Erwachsenwerden bedeutete auch, daß er täglich etwas Neues dazulernte.
»Wichtiger für unsere Beziehung, Homer, ist die Frage, ob du mich hintergehst. Richtig?«
»Richtig«, sagte Homer.
»Gut!« sagte Larch.
Die Sterne funkelten so strahlend an der Zimmerdecke der Apotheke, daß Larch einen Moment lang meinte, ihr Dialog finde unter dem nächtlichen Firmament statt. Er legte den Kopf zurück, um den Dämpfen zu entfliehen, doch verlor er das Gleichgewicht und fiel rücklings auf das Bett.
»Geht es Ihnen nicht gut?« fragte Homer ihn.
»Doch, blendend!« brüllte Larch herzhaft. Dann fing er an zu lachen.
Es war das erstemal, daß Homer Wells Dr. Larch lachen hörte.
»Hör zu, Homer«, sagte Dr. Larch, aber er kicherte. »Wenn du alt genug bist, um ganze Bauwerke zu verwüsten und vor Bildern von Frauen zu masturbieren, die ’nem Pony einen blasen, dann bist du auch alt genug, um mein Assistent zu werden!« Larch krümmte sich auf dem Bett vor Lachen. Homer fand die Bemerkung ebenfalls spaßig und fing an zu lächeln. »Du kapierst nicht, wie?« fragte Larch, immer noch kichernd. »Du kapierst nicht, was ich meine.« Er warf sich auf den Rücken und strampelte mit den Füßen in der Luft, während das Sternenfirmament über ihnen kreiste.
»Ich werde dich Chirurgie lehren!« brüllte Larch Homer an, und beide lachten Tränen. »Geburtshilfetechniken, Homer«, sagte Larch; auch Homer fiel jetzt rücklings auf das Bett. »Gottes Werk und Teufels Beitrag, Homer!« sagte Larch johlend. »Den ganzen Krempel! Die Werke!« kreischte er. Homer fing vor Lachen an zu husten. Er war überrascht, als Larch die Photographie von der Frau und dem Pony hervorzauberte und sie vor ihm schwenkte. »Wenn du alt genug bist, an so etwas auch nur zu denken«, sagte Larch, »bist du alt genug, um einen Erwachsenenjob zu übernehmen!« Und nun prustete Larch dermaßen los, daß er die Photographie Homer Wells in die Hand drücken mußte – sonst hätte er sie fallen lassen.
»Hör zu, Homer«, sagte Larch. »Du wirst die Medical School hinter dir haben, bevor du auf die High-School gehst!« Homer fand dies besonders spaßig, aber Larch wurde plötzlich ernst. Er nahm Homer die Photographie aus der Hand. »Sieh dir das an«, befahl er. Sie saßen auf der Bettkante, und Larch stützte die Photographie auf sein Knie. »Ich werde dir etwas zeigen, was du nicht weißt. Sieh dir das an!« sagte er und deutete auf den Zopf, der im Schatten des Ponybeins lag. »Was ist das?« fragte
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