Gottes Werk und Teufels Beitrag
vierten Versuch knackte er. Irgend etwas in dem Gebäude über ihnen schien sich zu verschieben. Melony ließ ihr Ende des Geländerpfostens fallen und umarmte den angeknacksten Balken wie ein Bär; sie versuchte mit dem Balken loszurennen, und ihr Schwung trug sie über die Türschwelle, hinaus auf die Veranda. Eine der oberen Schlafkammern stürzte in die Küche herunter; darauf brach ein Teil des Daches zusammen, und was von der Verandabrüstung übrig war, wurde in den Fluß geschleudert. Sogar Melony schien beeindruckt von so viel Zerstörung; sie nahm Homer beinahe sanft an der Hand und führte ihn ins obere Stockwerk – mehr als die Hälfte des oberen Stockwerks war immer noch das obere Stockwerk, einschließlich der Schlafkammer, wo das Pony und die Frau einen ehemaligen Holzknecht von St. Cloud’s amüsiert hatten.
»Hilf mir«, sagte Melony sanft zu Homer Wells. Sie gingen ans Fenster, und gemeinsam gelang es ihnen, den Fensterladen von der einen Angel loszureißen, die ihn noch hielt; sie sahen ihm nach, wie er geradewegs durch das Dach der Veranda fiel und von dort durch die Bodendielen rutschte und in den Fluß platschte. »Sauber, eh?« fragte Melony tonlos.
Sie setzte sich auf die Matratze, wo sie gekniet hatten, als die Schlange aufs Dach schlug. »Hilf mir«, sagte Melony abermals; sie bedeutete Homer, sich neben sie zu setzen.
»Hilf mir, sonst werde ich weglaufen«, sagte sie zu ihm, »hilf mir, sonst werde ich jemand totschlagen.« Dies schien in ihrer Vorstellung vage parallel zu laufen, wenn nicht dasselbe zu sein. In Melonys Fall war es eindeutig nicht einfach für Homer, »sich nützlich zu machen«, aber er wollte es versuchen.
»Schlag niemanden tot«, sagte er. »Lauf nicht weg.«
»Wozu bleiben?« entgegnete sie. »Du wirst nicht bleiben – ich meine nicht, daß du weglaufen wirst, ich meine, daß jemand dich adoptieren wird.«
»Nein, wird man nicht«, sagte Homer. »Außerdem würde ich nicht gehen.«
»Du wirst gehen«, sagte Melony.
»Werde ich nicht«, sagte Homer. »Bitte, lauf nicht weg – bitte, schlag niemanden tot.«
»Willst du damit sagen, wenn ich bleibe, bleibst du auch?« fragte ihn Melony. Will ich das sagen?, überlegte Homer Wells. Aber Melony ließ ihm, wie üblich, keine Zeit zum Nachdenken. »Versprich mir, daß du bleiben wirst, solange ich bleibe, Sonnenstrahl«, sagte Melony. Sie rückte näher an ihn heran; sie nahm seine Hand und öffnete seine Finger und schob seinen Zeigefinger in ihren Mund. »Glückliches Pony«, flüsterte Melony, aber Homer war sich nicht sicher, ob das Pony so glücklich gewesen war. Das alte Gebäude stöhnte auf. Melony ließ seinen Zeigefinger in ihrem Mund ein und aus gleiten. »Versprich mir, daß du bleibst, solange ich bleibe, Sonnenstrahl«, sagte sie.
»Richtig«, sagte Homer Wells. Sie biß ihn. »Ich verspreche es«, sagte Homer. Mehr vom oberen Stockwerk stürzte in die Küche; man hörte ein mitfühlendes Knarren von den krummen Balken, die immer noch stützten, was vom Dach der Veranda übrig war.
War es dies, was ihn ablenkte – als Melony endlich seinen winzigen Penis fand und ihn in ihren Mund steckte? Er hatte keine Angst, daß das alte Gebäude zusammenbrechen und sie beide unter sich begraben könnte, obschon diese Angst begründet gewesen wäre. Er dachte nicht an die Geschichte der Matratze, auf der sie lagen; ihre Geschichte war selbst für Melonys Begriffe gewalttätig. Seine eigene verlorene Geschichte bedachte er nicht und ebensowenig, daß dieses Zusammensein mit Melony ein Verrat an Dr. Larch sein könnte. Zum Teil lenkte das Geräusch Homer ab; da war das Geräusch, das Melony mit ihrem Mund – und mit ihrem Keuchen – machte, und dann war da sein eigenes Keuchen. Dieses Geräusch der Leidenschaft erinnerte ihn an den kleinen Fuzzy Stone und die Energie jener Apparate, die Fuzzy am Leben hielten. Daß solche feuchten Atemanstrengungen um Fuzzys willen unternommen wurden, zeigte nur, wie brüchig sein Leben war.
Homer wurde nur ein bißchen größer in Melonys Mund; als er schrumpfte, steigerte Melony ihre Anstrengungen. Homers Hauptablenkung war die Photographie selbst, die er ganz deutlich vor sich sah. Er sah sogar das staubfreie Rechteck an der Wand, wo die Photographie gehangen hatte. Sosehr die Photographie ihn anfangs inspiriert hatte, sich diesen Akt mit Melony vorzustellen, so sehr hemmte sie ihn jetzt. Und sosehr ihm die Frau auf der Photographie anfangs Mut gemacht hatte, an Melony
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