Gottes Zorn (German Edition)
Hintergrund gibt eine Frau schrille Schreie von sich. Die Ziegen grasen am Wegesrand.
Joel sieht, wie Johanna einem der Männer einige Scheine überreicht. Er nimmt sie entgegen und nickt.
Dann sitzen sie wieder im Wagen, Johanna diesmal hinterm Steuer und Joel mit heftig pochendem Herzen neben ihr auf dem Beifahrersitz.
«Sie haben so viel Geld bekommen, dass sie sich davon eine ganze verdammte Ziegenherde kaufen können», hört er sie sagen.
Der linke Scheinwerfer ist kaputt, sie fährt ruhig durch die Nacht in Richtung Ramallah.
***
E r wachte davon auf, dass es an der Tür klopfte. Schlaftrunken setzte er sich auf dem Sofa auf, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, wie lange er geschlafen hatte.
Oder war es ein Teil seines Traums?
Er horchte.
Als er sich gerade wieder die Decke über den Kopf ziehen wollte, klopfte es erneut. Kurze aggressive Stöße wie aus einem Maschinengewehr.
Dann hörte er eine Stimme, die fröhlich rief: «Huhu! Mach auf, ich bin’s. Britt!»
Auf steifen Beinen wankte er in den Flur hinaus.
Sie lächelte breit, als wäre sie einfach nur etwas zu spät zu einem Fest gekommen. «Hej», begrüßte sie ihn. «Hab ich dich geweckt? Ich wollte nur kurz rüberkommen und den Topf abholen.»
«Wie spät ist es denn?»
Er musste sauer aufstoßen, schluckte und hielt sich die Hand vor den Mund, um seinen schlechten Atem zu verbergen.
«Gerade mal halb zehn. Hast du dich etwa schon hingelegt und geschlafen?»
Joel fröstelte in der Kälte an der offenen Tür. «Bin nur auf dem Sofa eingedöst.»
Sie kicherte vergnügt. «Ich habe es durchs Fenster gesehen. Willst du mich nicht reinbitten?»
Ohne eine Antwort abzuwarten, huschte sie an ihm vorbei, ihr folgte ein kalter Lufthauch und ein Duft nach Zitrone. Als sie sich umdrehte, sah er im Schein des Flurlichts, dass sie roten Lippenstift aufgelegt hatte und eine Flasche Wein in der Hand hielt.
«Mein Gott, wie siehst du denn aus?», rief sie erschrocken.
Ihre Aufmachung bewirkte, dass er sich noch mehr genierte. Er fuhr sich mit der Zunge im Mund herum.
«Ich habe einen losen Zahn», murmelte er schließlich.
Sie stellte die Weinflasche ab.
«Lass sehen …»
Noch bevor Joel zurückweichen konnte, spürte er ihre kühlen Finger auf seinen Wangen. Er machte gehorsam den Mund auf.
«Der wächst wieder an», sagte sie nach einer Weile mit sachkundiger Miene und gab ihm einen Klaps auf die Schulter. «Hast du schon gegessen?»
«Nein.»
«Hunger?»
Mit einem Mal merkte Joel, dass sein Magen vollkommen leer war. Und er selbst es absolut leid war, allein zu sein.
«Geh und putz dir die Zähne, dann mach ich uns etwas zu essen. Du stinkst entsetzlich aus dem Mund, muss ich leider sagen.»
Als er getan, wie sie ihm geheißen hatte, und wieder zurückkam, brutzelten bereits Bratkartoffeln mit Schinken und Spiegeleiern in einer Pfanne auf dem Herd. Britt machte den Eindruck, als wäre sie in der Küche zu Hause. Sie hatte ihren Pulli über einen Stuhl geworfen. Die Seidenbluse spannte über ihrem Busen.
«Und du willst mal Koch gewesen sein? Dein Kühlschrank ist ja in einem genauso schlechten Zustand wie dein Gebiss», rügte sie ihn über die Schulter hinweg. «Zumindest habe ich eine Kleinigkeit im Gefrierfach gefunden.»
«Tellerwäscher … Ich war eher Tellerwäscher.»
Joel setzte sich an den Küchentisch und betrachtete sie.
«Ist Gunnar nicht sauer, wenn du herkommst?»
«Er ist gar nicht da. Der Landesbauernverband veranstaltet eine Konferenz in Hässleholm. Er kommt nicht vor morgen Abend zurück.»
Britt drehte sich um und lächelte, und für eine Sekunde fühlte er sich um zwanzig Jahre in der Zeit zurückversetzt. Diese klaren blauen Augen; damals hätte er in ihnen ertrinken wollen. Ein einziges Mal, das erste und letzte Mal, hatten sie sich in ihrem Jugendzimmer getroffen. Es war am selben Abend, an dem er von zu Hause wegging. Mein Gott, damals waren wir noch Teenager, dachte Joel. Die Erinnerung daran schoss ihm wie ein elektrischer Stoß durch den Körper.
«Kau vorsichtig.» Sie stellte einen Teller vor ihm auf den Tisch und schenkte Wein in zwei Gläser. «Hab ich dir eigentlich erzählt, dass ich ein paar Jahre lang als Zahnarzthelferin gearbeitet habe?»
«Nein.»
Joel aß langsam mit schmerzendem Zahnfleisch. Eine ganze Weile saß sie schweigend da und beobachtete ihn. Ihm selbst fiel nichts ein, was er hätte erzählen können.
«Die Leute sagen, dass du auf eigene Faust Nachforschungen zu
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