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Gottes Zorn (German Edition)

Gottes Zorn (German Edition)

Titel: Gottes Zorn (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Olle Lönnaeus
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hundemüde.
    Es sind noch mehrere Meilen bis nach Ramallah, und er will endlich im Hotel ankommen und sich ins bequeme Bett legen.
    Sich ausschlafen. Ganz lange.
    Vier ganze Wochen sind sie draußen im Dorf gewesen. Die Zeit hat an ihnen beiden gezehrt. Diese Armut und das Eingesperrtsein, die einem allmählich unter die Haut gehen, ohne dass man etwas dagegen unternehmen könnte. Die Straßensperren. Der Stacheldraht. Die Hoffnungslosigkeit. Man muss einfach mal Luft holen.
    Also tritt er das Gaspedal ganz durch.
    Die dunkle Nacht umschließt ihren Wagen. Das laute Motorengeräusch übertönt alle anderen Geräusche. Lichtpunkte und flackernde Lichtstrahlen huschen vorbei. Am Himmel zeigen sich ab und zu Sterne, wenn sich die Wolkenschicht öffnet. Doch die Scheinwerfer des Jeeps tasten sich überwiegend durch pechschwarze Finsternis.
    Dieser beschissene Feldweg! Regen und darauffolgende Phasen der Trockenheit haben Schlaglöcher, groß wie Badewannen, in ihn hineingegraben, denen Joel ausweichen muss.
    Er ist erschöpft. Angesichts der Hitze schwitzt er wie verrückt.
    Gas geben, bremsen und ausweichen. Die ganze Zeit volle Konzentration. Bei jeder winzigen Unachtsamkeit schlägt der Jeep gegen die Kanten der Löcher, sodass die Stoßdämpfer quietschen und kreischen, und jedes Mal ist er überzeugt davon, dass der Wagen seinen Geist aufgibt. Es ist ihm unbegreiflich, dass Johanna, die zusammengekauert neben ihm hockt, dabei schlafen kann. Ihr Kopf wird durch die Stöße immer wieder vor- und zurückgeschleudert.
    Er singt aus voller Kehle, um sich wach zu halten. Springsteen. Verflucht, dass es keinen CD -Player im Jeep gibt.
    «Got in a little hometown jam
    So they put a rifle in my hand
    Sent me off to a foreign land
    To go and kill the yellow man
    I was born in the USA . Boooooorn in the USA !», brüllt er in die Nacht hinaus.
    Und dann geht alles ganz schnell.
    Plötzlich erleuchten die Lichtkegel des Wagens nicht mehr nur die staubige Fahrbahn, sondern lebende Geschöpfe, die eigentlich nicht hätten dort sein dürfen.
    Ein Junge. Oder sind es mehrere? Und Tiere. Ziegen, die mit gelb funkelnden Augen geradewegs auf das Auto starren, bevor sie blökend und mit steifen Sprüngen zur Seite hetzen.
    Joel gelingt es noch nicht einmal, den Fuß auf das Bremspedal zu setzen.
    Der Aufprall ist hart und abrupt, und er setzt sich über die Stoßstange bis zum Lenkrad fort, das in seinen Händen ruckt. Er hört Schreie, herzzerreißende Schreie von Menschen und Tieren. Irgendjemand stirbt, irgendjemand stirbt bestimmt gerade.
    Dreißig Meter weiter bringt er den Jeep zum Stehen. Er bleibt regungslos sitzen. Die Hände immer noch auf dem Lenkrad liegend. Den Blick geradeaus gerichtet. Der Motor läuft im Leerlauf, und jetzt dringen Stimmen durch das Motorengeräusch hindurch, aufgebrachte Stimmen hinter ihnen.
    «Was zum Teufel!»
    Die Wagentür wird geöffnet und mit einem Knall wieder zugestoßen. Schnelle Schritte, die sich von ihm entfernen. Es ist Johanna.
    Sie rennt los, um zu sehen, was passiert ist. Er sieht sie im Rückspiegel vorbeiwirbeln. Sie, die eben noch völlig erschöpft war und wie ein Stein geschlafen hatte, sie ist es, die jetzt für ihn einspringt.
    Joel sitzt lediglich wie gelähmt da. Hilflos. Wertlos. Ein Nichts.
    In seinem Kopf pulsiert ein entsetzliches Bild: Der kleine Junge, dessen erschrockene, weit aufgerissene Augen er eben noch für eine Zehntelsekunde im Scheinwerferlicht gesehen hat, liegt reglos auf dem Boden. Ein Arm unnatürlich abgewinkelt unter seinem Körper begraben. Seine Beine sind gebrochen, und überall ist Blut.
    Als Joel sich schließlich wieder bewegen kann und es ihm gelingt, aus dem Wagen zu steigen und zur Unfallstelle zu taumeln, schießt ihm wieder und wieder ein Gebet durch den Kopf: Guter Gott, mach, dass ich keinen getötet habe!
    Er hört mehrere Stimmen. Eine Menschenansammlung in der Dunkelheit. Johanna! Werden die Dorfbewohner sich etwa auf sie stürzen und Rache üben?
    Die Menschen wenden sich ihm zu. Mit dunklen Gesichtern. Sie wirken erbost.
    Dann erblickt er Johanna, die in der Mitte steht. Und einen kleinen Jungen, um die zehn Jahre alt mit kurzen Hosen, T-Shirt und Plastiksandalen an den Füßen. Er starrt mit großen Augen auf seine tote Ziege und auf Johanna, die redet und gestikuliert.
    «We are very, very sorry!»
    Sie wirft Joel rasch einen Blick zu. Alles wird gut, signalisiert sie ihm mit den Augen. Doch die Männer schauen finster drein. Im

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