Gottes Zorn (German Edition)
Kabuff herumkramte, das eine Art Putzkammer darzustellen schien. Den Revolver hatte er auf dem Küchentisch abgelegt. Von einem golden gerahmten Bild an der Wand schaute ein streng dreinblickender Heiliger herab. Auf der Arbeitsplatte lagen zwei Hasen, denen bereits das Fell abgezogen worden war, und ein langes Messer.
«Hier ist es.» Als Goran sich umdrehte, hielt er ein Ölgemälde in der Hand. Es war auf einen einfachen Holzrahmen gezogen. Er grinste und hielt es ins Tageslicht, das zwischen den zur Hälfte zugezogenen Gardinen hineinfiel. «Erst hatte ich vor, es in Stücke zu schlagen. Doch dann hab ich es mir anders überlegt. Man weiß ja nie …»
Die Farbe war plump aufgetragen. Ein Schwein mit Bart und Turban. Ansonsten nichts. Joel betrachtete es eingehend.
War dies etwa eines der Bilder, die einen derartigen Zorn ausgelöst hatten, dass Mårten mit seinem Leben dafür bezahlen musste?
«Er hatte Humor, Ihr Vater. Das muss man zugeben. Auch wenn er ein Schwein war.»
Joel trank einen Schluck und stellte dann die Flasche ab.
«Darf ich …?»
Er nahm Goran vorsichtig das Bild aus der Hand. Nahm die Pinselstriche in Augenschein, Zentimeter für Zentimeter. Helles Rosa und Schwarz auf grünem Hintergrund. Er erahnte eine gewisse Ungeduld, nahezu Verzweiflung. Das Bild schien in fünf Minuten gemalt worden zu sein. Was hatte Mårten nur dazu veranlasst? Joel schüttelte fassungslos den Kopf.
«Er kam höchstpersönlich damit an», sagte Goran.
«Hierher?»
«Er war ein zäher Bursche. Genau wie Sie.»
Joel konnte nicht ausmachen, ob Goran das ernst meinte oder ihn nur verarschen wollte.
«Mårten hat es ja gewusst, das ist klar. Er wusste, dass ich wusste, dass er es war, der Dragan erschlagen und im Tunbyholmsee versenkt hat. Und dennoch hat er sich hierhergetraut. Mutig, muss man schon sagen.»
«Und was geschah dann?»
«Ich hab ihm den Revolver in die Fresse gerammt, genau wie Ihnen. Aber ich hab ihn nicht erschossen. Ich bin schließlich kein Mörder.»
«Aber was wollte er von Ihnen?»
Goran ließ sich schwer auf einen Küchenstuhl fallen und griff sich die Whiskyflasche. Wischte sich dann mit dem Handrücken den Mund ab. Seine grauen Augen, die eben noch vor Wahnsinn gefunkelt hatten, schauten jetzt eher fragend drein, als grübelte er über etwas, das er nicht begreifen konnte.
«Er hat gesagt, dass er sich mit mir versöhnen wollte. Und bei Gott geschworen, dass er keine Ahnung hatte, wo Dragan abgeblieben war.»
Der großgewachsene Mann schielte hinauf zum Heiligenbild an der Wand.
«Als hätte er an irgendeinen Gott geglaubt …»
«Ich habe letztens den Prediger getroffen. Er drückte sich so aus, dass Mårten das Licht erblickt hätte. Sagt Ihnen das etwas?»
Aus dem Augenwinkel registrierte Joel, dass Tatjana in die Küche gekommen war. Sie stellte sich neben die Arbeitsplatte schräg hinter ihm. Joel bereute, sich hingesetzt zu haben. Er musste an die Hasen und das Messer denken und verspürte ein unangenehmes Ziehen in der Magengegend.
«Hören Sie!», rief Goran und stemmte sich mit den Ellenbogen auf die Tischplatte. «Ich weiß nichts über den Prediger. Aber ich bin selbst ein religiöser Mann, auch wenn das nicht viele glauben. Und über Ihren Vater kann ich nur eines sagen: In ihm gab es kein Licht. Mårten Lindgren war durch und durch eine dunkle Seele.» Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück. «Zumindest hab ich ihn immer dafür gehalten.»
«Vielleicht hat er sich ja verändert?»
Eine ganze Weile lang saß Goran reglos auf seinem Stuhl und starrte ins Leere. Dann schüttelte er eine Zigarette aus einem zerknüllten Marlboro-Päckchen und biss den Filter ab. Er zündete sie an und blinzelte durch den Rauch hindurch.
«Sie haben bestimmt davon gehört, dass Mårten und Dragan gemeinsame Geschäfte gemacht haben. Mårten hat meinen Bruder beschissen. Und als Dragan Geld von ihm gefordert hat, erschlug Ihr Vater ihn und warf ihn in den See.»
«Wie können Sie da so sicher sein?»
«Ich weiß es. So einfach ist das.»
«Aber Sie ließen ihn gehen?»
«Wie ich bereits sagte: Ich bin kein Mörder.»
Ein Geräusch von der Arbeitsplatte ließ Joel zusammenzucken. Tatjana hielt jetzt das Messer in der Hand. Sie lächelte Joel ausdruckslos an. Packte dann einen der Hasen mit einem festen Griff am Nacken, legte ihn auf ein Küchenbrett und begann ihn zu zerteilen. Es knackte, als sie einen Knochen durchschnitt.
Erneut wurde Joel von einem Schwindelgefühl
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