Gottes Zorn (German Edition)
«Kunstrunde» in Österlen verwehrt wurde. Mårten warf erbost mit Begriffen wie
«Zensur und Neomoralismus»
in der Kunstwelt und
«Bitterfotzen aus Stockholm»
um sich – der Ausdruck war beim Redigieren mit deutlichen Anführungszeichen versehen worden –, die die lokale Avantgarde im Keim ersticken wollten. Der Angriff wurde von der Sprecherin der Gilde, der Keramikerin Elisabeth Ulriksson gekontert, die klarstellte, dass
«künstlerische Qualität»
eine Bedingung für die Mitgliedschaft sei. Ansonsten hätte sie nicht vor, sich an einer
«öffentlichen Schlammschlacht»
mit Personen,
«von denen ich nichts weiß und auch nichts wissen will»
, einzulassen.
Als er ans Ende des Artikels gelangt war, ertappte Joel sich dabei, leise aufzulachen.
Er ging die Liste auf dem Bildschirm weiter durch. Nach der Ausstellung der Mohammedbilder folgte eine Serie von Artikeln über Drohungen, die sich gegen Mårten richteten und hauptsächlich von anonymen Absendern ins Internet gestellt worden waren, in einigen Fällen sogar von religiösen Anführern im Ausland. Es handelte sich um erzürnte Flüche und Prophezeiungen über Mårten Lindgrens Weg zum Fegefeuer. Den Formulierungen zufolge war es jedoch zweifelhaft, ob die Männer, die die anstößigen Gemälde in Schweden verurteilten, sie auch tatsächlich gesehen oder auch nur eine Ahnung davon hatten, wer der Maler war.
Die Artikel über Mårtens Tod und die polizeilichen Ermittlungen aus der vergangenen Woche überflog Joel, ohne etwas darin zu entdecken, das er nicht schon wusste. Er lehnte sich zurück. Dann fiel ihm ein, dass nirgends ein Wort über Mårtens kriminelle Machenschaften geschrieben stand. Über den Alkoholschmuggel. Den Handel mit Amphetaminen. Hatte man ihn denn nie erwischt? Und was war mit dem Verschwinden von Dragan Djelic?
Vielleicht wird Mårten in diesen Zusammenhängen nie namentlich erwähnt, mutmaßte Joel. Er löschte den Namen im Suchfeld und gab stattdessen
Dragan Djelic
ein. Sofort tauchte eine Reihe von Treffern auf. Sämtliche Artikel handelten von den polizeilichen Ermittlungen. Vom Durchkämmen des Tunbyholmsees im August vor dreieinhalb Jahren. Von seinem Bruder Goran, der sich weigerte, der Presse gegenüber etwas zu sagen. Und von einem
69 -jährigen lokalen Künstler
, der nach Aussage von Kriminalhauptkommissar Björn Bernhardsson
«im Zusammenhang mit den Ermittlungen von großer Bedeutung»
war.
Als Joel beim letzten Treffer angelangt war, stutzte er. Es war keine Meldung wie die vorherigen von Örjan Palander oder Roger Holgersson verfassten Artikel. Sondern eine Kolumne mit dem Titel
Gute Geschichten
, die mit einem Foto der Verfasserin versehen war, deren Gesicht er sofort wiedererkannte.
«Siw …», murmelte Joel.
Die Botschafterin der Güte und Freude Siw Wollgren hatte an einem Sonntag im Oktober vor drei Jahren von ihrer Gewohnheit abgesehen, ausschließlich die kleinen Freuden des Lebens zu thematisieren, und stattdessen beschlossen, ordentlich Dampf abzulassen. Es ging um die
Verbreitung von Gerüchten und die Verunglimpfung eines in der Gegend beliebten Künstlers und Musikers
. Mårten wurde nicht namentlich genannt. Doch der Text war eine lange Verteidigungsrede, in der sich Siw Wollgren persönlich für
die Unschuld des Angegriffenen
hinsichtlich des ihm unterstellten Mordes an Dragan Djelic aussprach.
Jetzt muss mit dem Geschwätz aber wahrhaftig Schluss sein!
, beendete sie ihren Beitrag.
Ein Klingeln der Türglocke signalisierte, dass Holgersson zurückkam. Er stampfte sich vor der Schwelle den Schnee von den Stiefeln.
«Verdammt, wie satt ich dieses Wetter habe! Jetzt schneit es schon wieder wie verrückt.»
Joel schaute vom Computer auf.
«Siw Wollgren? Was weißt du über sie?»
Holgersson hängte seine Daunenjacke auf und warf Joel einen Blick über die Schulter hinweg zu.
«Aha, du hast diesen alten Mist gefunden», seufzte er.
Der Besucherstuhl knarrte, als er sein Hinterteil auf die Sitzfläche klemmte und die Hände über dem Bauch faltete.
«Als diese Kolumne publiziert wurde, war hier die Hölle los. Siw gelang es, sie in die Zeitung zu schmuggeln, ohne dass sie außer dem diensthabenden Redakteur, einem jungen Volontär, noch jemand gelesen hätte. Der Chefredakteur wurde fast wahnsinnig. In meinen Augen absolut verständlich. Denn es handelt sich um eine Parteinahme, die sich gewaschen hat. Sie war schließlich Mårtens Geliebte.»
«Sie kam gestern zu mir», sagte Joel.
«Aha,
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