Gottesdienst
»Zeigen Sie mir das Ding.«
Brian nickte mit dem Kopf in Richtung des grünen Pickups. »Zuerst will ich Luke und Tabitha sehen.«
»Es funktioniert so: Sie tun, was wir sagen, und erst dann bekommen Sie, was wir ausgemacht haben.«
Brian starrte weiter auf die Wagen, versuchte trotz der getönten Scheiben etwas zu erkennen. »Na schön. Aber ich will sie trotzdem sehen.«
Paxton verlagerte sein Gewicht. »Nein. Wird Zeit, dass Sie erkennen, dass Sie hier nichts zu befehlen haben.«
Brian zog die Schultern zurück. Es war nur eine winzige Bewegung, aber seine ganze Körperhaltung straffte sich. Ich wusste: Luke und Tabitha befanden sich nicht in Paxtons Wagen. Sie wollten uns reinlegen, wir sollten mit der Sidewinder mitkommen.
»Okay, dann machen wir es, wie Sie es wollen«, sagte Brian. »Hier drin.«
Er drehte sich zu mir um. Die Entschlossenheit in seinem Gesicht machte mir Angst. Ich begab mich auf meine Position hinter der abgedeckten Rakete.
Mein Walkie-Talkie krächzte: »Brian. Achtung -«
Paxton kam hereingeschlendert. Ich schaltete das Walkie-Talkie aus. Mein Herz hämmerte. Marc war etwas aufgefallen – aber was? Ich versuchte mich unauffällig umzusehen. Smollek und die Biker wieselten herein wie kleine Kinder, begierig zu sehen, was das Christkind unter dem Weihnachtsbaum hinterlassen hatte. Der Wind peitschte durch die Scheune und wirbelte funkelnden Sand auf. Brian ergriff nun die Plane mit beiden Händen und zog sie herunter. Sprachlos starrten die Männer die Rakete an, als wäre sie die Bundeslade oder das letzte Geheimnis der Menschheitsgeschichte.
»Geliefert wie versprochen, Paxton«, sagte Brian.
Langsam begann Paxton den Flugkörper zu umkreisen, während die Motorradfahrer wie angewurzelt im Sand standen. Smollek lehnte sich zögerlich vor, als hätte er Angst, der Rakete zu nahe zu kommen, und begann die Schrift auf dem Leitwerk abzulesen. Er sprach leise, seine Lippen bewegten sich beim Lesen.
»U.S. Navy. Marineluftkommando.« Bei den Großbuchstaben wurde er lauter: »SPRENGKOPF, LENKFLUGKÖRPER …«
Er beugte sich weiter vor, und sein Mund öffnete sich. Vorsichtig berührte er eine Heckflosse mit dem Zeigefinger.
Ich schlug seine Hand weg. »Um Himmels willen!«
Er fuhr zusammen, seine Hand zuckte zurück an seine Brust.
»Aufmachen. Ich will mir das Innenleben anschauen«, forderte Paxton.
»Nicht bevor Sie mich meinen Sohn und seine Mutter sehen lassen«, sagte Brian. »Quid pro quo.«
Bei Erwähnung der lateinischen Worte ging ein Ruck durch die versammelten Standhaften – gerade als ob Worte und nicht unsachgemäße Behandlung den Sprengkopf zur Explosion bringen konnten.
Paxton sog Luft durch die Zähne. »Smollek, überzeug ihn.«
Draußen schienen Schatten vorbeizuhuschen wie Geisterwolken. Doch das, was Smollek jetzt in der Hand hielt, gehörte nicht ins Reich der Einbildung.
»Zeigen Sie uns die Kampfstoffe.« Sein Gesicht war rot angelaufen, eine Kraterlandschaft aus Aknepusteln, die vom Nasenpflaster gekrönt wurde. Er deutete auf Brian. »Und Schluss mit dem Latein.«
»Okay, okay.«
Behutsam begann Brian Muttern an der Sidewinder zu lösen und den Klemmring um den Sprengkopf zu öffnen. Smolleks Schultern bebten.
»Langsam, Mann. Wackeln Sie nicht so dran herum.«
»Ich weiß schon, was ich tue.«
Er drehte ein letztes Mal an der Mutter. Im nächsten Moment schoss mit einem lauten Zischen weißer Nebel aus dem Sprengkopf.
Brian wich zurück. Die Mischung aus Kohlendioxid und Tränengas traf die Standhaften voll ins Gesicht. Und mich auch. Sie hatten das CS-Gas ziemlich verdünnt, aber der kalte CO2-Nebel ließ die Sache umso gefährlicher erscheinen. Die Biker stürzten ins Freie, Smollek stieß einen schrillen Schrei aus.
Ich warf mich zu Boden und suchte nach Brians Rucksack. »Die Spritze. Wo ist die Spritze?«, schrie ich.
»In der Vordertasche.«
Paxton wich mit wütendem Gesicht zurück. Das Kohlendioxid füllte die ganze Scheune. Smolleks Schreie wurden immer lauter. Er wedelte mit den Armen, als ob er einen Schwarm Raubvögel vertreiben müsste. Ich riss den Rucksack auf und schnappte mir die Spritze. Paxton wollte sich auf mich stürzen. Ich jagte mir die Nadel in den Arm und drückte auf den Kolben.
»Zu spät, Paxton«, brüllte Brian. »Das war die einzige Dosis, die ich hatte.«
Paxtons Kopf fuhr herum. »Dann sind Sie auch verseucht!«
»Oh nein, ich bin gegen Anthrax geimpft. Und meine Schwester jetzt auch.«
»Anthrax?
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