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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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das Licht an. Die ausgestopften Tiere in den Schaukästen glotzten uns aus toten Augen entgegen.
    »Du wirst die Rakete aber schon zurückbringen, oder?«, fragte Abbie.
    »Bei meiner Ehre.«
    Sie legte das Rohr ab. »Bis Montag. Dann werde ich vielleicht nicht gefeuert.«
    »Die Sache sollte bis morgen Abend erledigt sein.«
    »Cool.« Mit einem großen Schraubenzieher begann sie die Rakete von ihrem Präsentationsgestell zu lösen.
    Ich betrachtete mir den Flugkörper noch einmal genauer: eine etwa drei Meter lange Patrone mit gut fünfzehn Zentimetern Durchmesser und Leitflossen an Nase und Heck. Dieses hintere Leitwerk passte nicht in das Kunststoffrohr, das Heck würde ich zwischen den Vordersitzen des Wagens lagern müssen.
    Abbie schwang den Schraubenzieher. »Beruhig dich, da ist kein Sprengkopf und kein Treibstoff mehr drin. Da bin ich mir … fast sicher.«
    »Ha, ha, sehr witzig. Kannst du dich an diese Navy-Flugshow erinnern, wo Kinder im Cockpit eines Jets sitzen durften, man aber vergessen hatte, den Schleudersitz zu deaktivieren? Ein kleiner Siebenjähriger -«
    »Hör auf, so etwas zu erzählen.« Sie hatte die Hand gehoben. »Ich krieg die Krise, wenn Kindern was passiert.«
    Das war der wahre Grund gewesen, weshalb sie sich bereit erklärt hatte, mir zu helfen, das wusste ich – nicht, weil sie was gutzumachen hatte oder weil sie so abenteuerlustig war – und auch nicht, weil die Standhaften einen Coydog auf sie gehetzt hatten. Sie konnte es nicht ertragen, dass diese Leute das Leben eines Kindes bedrohten.
    »Du bist einfach ein Schatz, Abbie.«
    Sie klopfte auf die Rakete. »Schieb hier mal die Schulter drunter.«
    Ich bückte mich unter den Flugkörper. Mit der letzten Schraubendrehung rutschte er mir in den Nacken. Das Ding war deutlich schwerer, als ich gedacht hatte.
    »Siehst du? Alles in Ordnung«, sagte sie. »Wenn das Ding gut genug ist für unsere Regierung … Lass uns das Monster ins Auto schaffen, damit du unsere Steuergelder endlich mal sinnvoll einsetzen kannst.«

26. Kapitel
    Auf einer Anhöhe, unter der sich das Tal nach Osten ausbreitete, stand eine baufällige, von der Sonne ausgebleichte Scheune zwischen Felsblöcken und Ponderosa-Kiefern. Dahinter ragten die Sierras wie eine Granitwand mehrere tausend Meter in den Himmel. Durch die Scheune pfiff der Wind und zerrte an den Holzlatten wie eine entfesselte Ein-Mann-Band. Es war Sonntag, der 30. Oktober – Showtime.
    Seit vier Uhr nachts waren wir hier zugange gewesen, Brian, Marc und ich, und gegen halb elf waren wir fertig. Wir hatten unsere selbst gemachten Anthrax-Detektoren dabei, dazu mit Salzlösung gefüllte Spritzen – das Gegenmittel gegen unsere besondere Spielart des Hausmacher-Anthrax. Die Sidewinder hatten wir in der Mitte der Scheune auf zwei Sägeböcken aufgebaut und mit einer Plane bedeckt. Jetzt fehlten nur noch die Standhaften.
    Unruhig tigerte ich auf und ab und warf hin und wieder einen Blick durch die Holzlatten auf das Wüstenpanorama. Die einfallenden Sonnenstrahlen brachten den Staub in der Luft um mich herum zum Gleißen. Brian hatte sich auf dem Boden ausgestreckt und den Kopf auf seinen Rucksack gebettet.
    »Ev, setz dich hin und ruh dich aus. Wir haben noch drei Stunden Zeit.«
    »Mach ich.« Aber ich konnte mich nicht ausruhen. Obwohl ich die ganze Nacht nicht geschlafen hatte, war ich so angespannt, dass meine Nerven sirrten wie Telefondrähte.
    »Es bringt nichts, wenn du jetzt schon deine Kraftreserven vergeudest. Ich werd Paxton um zwölf anrufen.«
    Marc lehnte mit dem Rücken gegen die Wand der Scheune. »Hören Sie auf Ihren Bruder. Teilen Sie sich Ihre Kräfte ein.«
    Brian schloss die Augen und faltete die Hände über der Brust wie ein Vorstadt-Ehemann, der sich an einem beschaulichen Sonntag in der Hängematte eine kleine Auszeit gönnt. Erstaunlich. Das war die Gelassenheit des Berufssoldaten – beruhigend und beängstigend zugleich.
    Der Wind fuhr durch die Holzlatten. Trotz der Hitze fröstelte ich.
    Aber dann schlief ich doch noch ein. Um die Mittagszeit weckte mich Brians Stimme. Er telefonierte auf meinem Handy mit Paxton.
    »… vom Highway 395 westlich, dann etwa fünf Meilen den Berg hoch«, erklärte er. »Nein, vor der Ausfahrt zum Whitney Portal.«
    Brian wirkte ganz entspannt. Er hörte einen Moment zu.
    »Das brauchen Sie mir nicht zu erzählen. Ich halte mich an meinen Teil der Abmachung und Sie sich an Ihren. Und jetzt will ich mit Luke sprechen.«
    Er hörte zu,

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