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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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gleichen Moment schlug er ihr das Tablett aus der Hand. Eistee und Cracker regneten auf Tabithas Füße und den Rasen. Peinlich berührt erstarrten wir, nur die Musik aus Shilohs Rekorder dröhnte weiter.
    »Räum das weg«, befahl Wyoming.
    Schwer atmend und mit hochrotem Kopf ging Tabitha auf die Knie und begann die Sachen zusammenzuräumen. Ich wandte mich zu Jesse um. »Komm, wir gehen.«
    Plötzlich drang eine Stimme aus dem Haus. »Peter! Peter Wyoming!«
    Ein babyblauer Cowboyhaut tauchte in der Schiebetür auf. Wyoming wischte sich die Stirn mit dem Handrücken ab, seine Kiefermuskeln waren am Mahlen. Als Chenille erneut nach ihm rief, stapfte er schnaufend und blass auf das Haus zu. »Die Fäulnis wird einsetzen«, murmelte er, bevor er blitzartig umdrehte und Jesse anschrie. »Die Fäulnis! Wollen Sie Beweise? Sehen Sie sich Stephen Hawking an – ein Wissenschaftler, der den Preis dafür zahlen musste.«
    Jesse wandte sich ab und machte sich auf den Weg über den Rasen. Als ich mich von Tabitha verabschiedete, sah sie mich nicht an.
    Vor dem Haus parkte ein babyblauer Pickup neben meinem Wagen. Durch das Vorderfenster des Hauses konnten wir erkennen, wie Chenille wild gestikulierend auf Pete einredete. Am Treppenaufgang stand Curt Smollek, der pockengesichtige Schläger der Standhaften, mit verschränkten Armen wie ein Türsteher. Ich kletterte in den Explorer. Jesse folgte mir kurz darauf. Er warf die Tür zu und starrte geradeaus.
    »Der Mann ist ernsthaft gestört«, sagte ich.
    »Ach, tatsächlich?«
    Für einen Moment war er still. Hoffentlich nahm er sich Wyomings Anwürfe nicht so zu Herzen.
    »Weißt du, was sich in der Garage befindet?«, fragte er schließlich. »Stapel von Lebensmitteln, Kartons bis unter die Decke.«
    Der Schlüssel steckte schon im Zündschloss, doch ich zögerte noch. »Dosenmais und Frühstücksfleisch?«
    »Und Beef Jerky, dreihundert Packungen Tampons und ein Kühlschrank voller gefriergetrockneter Kartoffeln und Sprühsahne. Und noch etwas, das sie die Checkliste der Offenbarung nennen. Hundert Posten, die du der Reihe nach ankreuzen kannst, wenn wieder eine biblische Prophezeiung wahr wird«, erzählte er. »Es ist wie ein Countdown.«
    »Und?«
    »Fünfundneunzig waren schon angekreuzt.«
    Plötzlich klopfte es ans Wagenfenster – die nächste Überraschung, das Tüpfelchen auf dem i der Seltsamkeiten. Glory, mein Fan aus der Signierstunde, drückte sich ans Auto.
    Sie sprach leise. »Was ich Ihnen bei Beowulf erzählt habe, stimmt. Sie müssen wissen, dass ich das ernst gemeint habe. Ich liebe Ihr Buch, das ist wirklich wahr.«
    »Okay. Verstanden.«
    »Sie müssen mir glauben.« Sie hielt sich am Fensterrahmen fest. »Bitte, Evan …«
    »Was ist eigentlich los bei euch?«, fragte ich und nickte in Richtung Haus. »Warum sind alle so aufgeregt?«
    »Haben Sie es nicht gehört? Er ist gestorben.«
    »Wer?«, fragte Jesse.
    Sie blickte sich angsterfüllt um. »Der Verrückte. Der Mann, der in die Kirche eingedrungen ist und Pastor Pete angreifen wollte. Er ist heute Abend gestorben.«
     
    Um sieben Uhr morgens klopfte Jesse an die Tür. Er klopfte immer, bevor er eintrat, obwohl er einen eigenen Schlüssel hatte. Es war wie ein Ritual. Das Morgenlicht ließ das Gras und den gelben Hibiskus strahlen, der Himmel war wolkenlos, die Luft duftete süß. Ich hatte noch meinen Schlafanzug an und schenkte mir die erste Tasse Kaffee ein. Luke schlief fest. Jesse steckte bereits in seiner Gerichtskleidung: schwarzer Anzug, weißes Hemd und ein königsblauer Schlips. Er rollte herein und warf die News-Press auf den Frühstückstisch.
    »Lokalteil, Seite eins. Sie haben den Typen identifiziert.« Sein Ton verriet mir, dass ich mit einer Überraschung zu rechnen hatte.
    Ich fand die Meldung. »Arzt erliegt seinen Verletzungen.«
    Ein Arzt erlag gestern den Verletzungen, die er sich zugezogen hatte, als er beim Überqueren der Ortega Street von einem Lastwagen überfahren wurde. Neil Jorgensen, 51, starb an schweren Kopfverletzungen …
    »Jorgensen?« Überrascht schaute ich auf. »Der Schönheitschirurg?«
    »Ich erinnere mich noch genau, wie er drohte, dir die Kniescheiben herauszureißen.«
    Neil Jorgensen war der kosmetische Chirurg der alternden Reichen. Er war gut beschäftigt und teuer, und dazu noch arrogant und inkompetent – furchtbar, wenn diese Kombination mit einem Skalpell auf dein Gesicht losgelassen wurde. Ich hatte ihm einmal eine Vorladung wegen eines

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