Gottesdienst
Flugplatz war etwa zwölf Meilen entfernt, und die Papiere steckten Gott weiß wo.
»Halt sie auf!«, rief Brian. »Tu, was du kannst, um Luke bei dir zu behalten, bis ich da bin.«
»Hab ich schon erwähnt, dass ich in Handschellen auf der Rückbank eines Streifenwagens sitze?«
Er legte auf. Ich starrte auf das Telefon, meine Hände zitterten. Tu, was du kannst.
Ich rief die Polizei an. Eine Frauenstimme meldete sich, und ich redete sofort los. »Ich muss eine Kindesentführung melden.«
»Ein Kind wird entführt?«
»In ein paar Minuten.«
»Wo befindet sich das Kind jetzt?«
»In meinem Auto, auf dem Highway 14, südlich der Abzweigung zum Walker Pass.«
Vorne erhob sich der Deputy wieder und blickte in meine Richtung. Ich verbarg das Telefon in meinem Schoß. Er drehte sich weg.
Die Frau in der Telefonzentrale fragte mich in dringlichem Tonfall: »Werden Sie verfolgt?«
Für einen kurzen Moment stand mir meine Anwaltausbildung im Weg. Wurde ich eigentlich wirklich verfolgt? Verfolgen: jagen, nachstellen … Dann meldete sich meine klügere Gehirnhälfte: Du musst jetzt lügen!
»Ja! Ich weiß nicht, ob ich den Vorsprung noch länger halten kann. Bitte schicken sie die Polizei. Sie hat Männer bei sich, ich werde nichts gegen sie ausrichten können …«
Die hintere Tür des Streifenwagens öffnete sich, der massige Körper des Beamten füllte den Türrahmen aus. Er schnappte sich das Telefon, und ich fiel zurück in den Sitz. Die Zeit lief mir davon.
Zehn Minuten später tauchte ein Streifenwagen aus China Lake auf, bog von der Straße ab und bremste in einer Staubwolke. Hinter ihm hielt der grüne Dodge-Pickup, den ich vor Lukes Schule gesehen hatte. Bitte beeil dich, Brian.
Die Beamtin aus China Lake, eine groß gewachsene Frau mit stämmigen Beinen, schritt um ihren Wagen herum und öffnete die Beifahrertür. Vorsichtig stieg Tabitha aus. Der Wind wehte durch ihre kastanienfarbenen Locken und bauschte ihr weißes Kleid. Ihr auf den Fersen folgten Chenille Wyoming mit einem lilafarbenen Cowboyhut und Isaiah Paxton mit unerbittlichem Gesichtsausdruck. Sie blieben im Hintergrund und beobachteten Tabitha.
Sie rannte jetzt auf den Explorer zu. Vor der geöffneten Tür blieb sie stehen. Sie führte die Fingerspitzen an ihre Lippen – wie die schmerzliche Bewegung einer gequälten Kreatur. Dann fing sie an zu weinen.
Ich rüttelte am Gitter. »Nein!«
Ihre durchdringende Stimme war bis hier zu hören. »Luke, ich bin’s, deine Mami. Komm her, mein Schatz.« Sie breitete die Arme aus und winkte ihn unter Tränen zu sich: Komm her.
Und zum ersten Mal, seit wir angehalten worden waren, bewegte sich Luke. Wie von der Tarantel gestochen, drängte er sich in die hinterste Ecke des Wagens. Tabitha warf Chenille einen nervösen Blick zu, und prompt erwiderte Chenille in scharfem Ton: »Worauf wartest du noch? Hol ihn dir.«
Nein, dachte ich hektisch, das darf ich nicht zulassen. Niemals.
Ich warf mich flach auf die Sitzbank und trat mit beiden Füßen gegen das Fenster. Nichts passierte. Ich trat noch einmal zu, stieß dabei einen Schrei aus und hörte ein dumpfes Knacken. Noch einmal trat ich zu wie ein bockendes Wildpferd, und nun zogen sich Risse durch das Sicherheitsglas.
Hinter mir wurde die Tür aufgerissen. Der Deputy beugte sich über mich. »Aufhören!« Doch ich trat weiter aus und schrie. Ich konnte seinen Ledergürtel und sein Aftershave riechen. Er riss mich am Kragen aus dem Wagen, und ich fiel nach hinten in den Sand. Die Beamtin aus China Lake half ihm, mich auf den Bauch zu drehen. Ich spürte ein Knie in meinem Rücken. »Sie ist high. Wahrscheinlich Angeldust.«
Dann drückte er meinen Kopf mit seinem Schlagstock nach unten in den Sand. »Stillhalten! Noch nicht mal dran denken zu atmen.«
Unter größter Anstrengung presste ich die Worte heraus. »Dieser Mann hat ein Gewehr.«
»Herr Jesus Christus.« Der Beamte schnaubte. »Dazu sind Gewehrständer ja wohl da. Oder soll er vielleicht Topfpflanzen dranhängen?«
»Sie können nicht zulassen, dass sie Luke in einen Wagen bringt, in dem ein Gewehr liegt. Das dürfen Sie nicht!« Sie hatten mich hochgehievt und stießen mich jetzt in Richtung des Streifenwagens. »Und wie sollen sie Luke anschnallen?«, fragte ich. »Der Pickup hat drei Sicherheitsgurte, aber ich zähle vier Personen. Das ist illegal.«
»Genauso illegal, wie sich der Verhaftung zu widersetzen. Und jetzt halten Sie endlich den Mund, bevor ich ihnen den
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