Gottesdienst
auch.«
»Wer?«
Sie deutete auf Chenille.
»Calamity Jane?« Brian musterte Chenille abschätzig. Sie zog ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter. »Das ist nicht Tabithas Mutter«, sagte er. »Tabithas Mutter hat sich vor zwei Jahren umgebracht.«
Der Wind schien den Atem anzuhalten. Der Deputy fluchte leise. »Das reicht. Ich nehme Sie jetzt alle mit auf die Wache.«
6. Kapitel
Auf der Polizeiwache in China Lake musste ich allein in einem Verhörraum warten. Ich saß unter gleißend hellen, brummenden Neonröhren und starrte auf die Zigarettenbrandspuren auf dem Formica-Tisch. Draußen im Gang war ein Wortgefecht entbrannt. Brian gab Feuer frei. Schließlich öffnete sich die Tür, und ein Detective trat ein, ein rothaariger Mann Mitte fünfzig, gebaut wie ein Schrank. Seine Plastikbrille war zerkratzt, und beim Atmen gab seine Nase pfeifende Geräusche von sich. Er hielt eine Aktenmappe in seinen Wurstfingern und setzte sich mir gegenüber an den Tisch.
»Ich bin Detective McCracken.« Sein singender Tonfall passte überhaupt nicht zu seinem Körperbau. Als er mir meine Rechte vorlas, hörte er sich an wie ein Poet. »Ich hätte gerne eine Aussage von Ihnen.«
»Gut.«
Er schob mir einen Stift und ein Blatt Papier über den Tisch zu. »Bitte schreiben Sie auf, was heute Nachmittag vorgefallen ist.«
Ich kannte mich bei Polizeimethoden nicht so gut aus, aber das kam mir komisch vor. Trotzdem begann ich zu schreiben. Nach einer halben Seite unterbrach er mich.
»Das genügt. Wenn Sie unterschrieben haben, können wir uns unterhalten.«
Ich fügte meine Unterschrift hinzu und gab ihm das Blatt zurück. »Sie hätten mich doch einfach nach einer Schriftprobe fragen können.«
Er zog einen Brief aus seinem Ordner und verglich ihn mit dem, was ich geschrieben hatte. »Ich bin kein Experte, aber ich würde sagen, die Schrift stimmt überein.«
Er gab mir den Brief. Oben stand mein Name, dann war zu lesen: Liebe Tabitha, du Schlampe. In dem Brief wurde mit Drohungen so wahllos um sich geworfen, wie ein Kind Schokostreusel auf Kekse schüttet. Er endete: Wenn du noch einmal auftauchst, werde ich dich kriegen. Du wirst Luke nie bekommen. Das kannst du vergessen!! Ich werde dir niemals sagen, wo er ist. Evan.
Ich wurde rot vor Zorn. »Jetzt lassen die sich ihre Fälschungen wohl schon von Viertklässlern schreiben.«
»Die Unterschrift ist tatsächlich ziemlich gut. Aber«, er nahm sich die Aussage, die ich verfasst hatte, »… ständig zunehmende Drangsalierung … irrtümlich verlegte Sorgerechtsunterlagen … Na ja. Das hört sich schon ein bisschen anders an.«
Seine Nase pfiff. Er zog noch mehr Papiere aus dem Ordner, Gerichtsunterlagen und ein orangefarbenes Flugblatt. Es war der HELL-o-ween -Comic. Dann hielt er meine Sorgerechtspapiere hoch. »Wir haben das in Ihrem Wagen gefunden.«
Ich wartete ab.
»Sie werden nicht der Kindesentführung angeklagt. Aber Sie müssen sich wegen der Beschädigung des Streifenwagens verantworten.«
»Die kaputte Scheibe bezahle ich.«
»Unter diesen Umständen werde ich vorschlagen, dass man Sie gegen ein Schuldeingeständnis oder gegen eine geringe Kaution freilässt.«
»Unter diesen Umständen«, antwortete ich. »Das ist wirklich großzügig von Ihnen.«
McCracken betrachtete mich durch seine zerkratzten Brillengläser. »Ich möchte Ihnen nicht zu nahetreten, aber ich halte es für eine gute Idee, dass Sie und Ihr Bruder mal einen Kurs zur Aggressionsbewältigung absolvieren.«
Ihm jetzt einen Stuhl über den Kopf zu ziehen, wäre auf jeden Fall eine schlechte Idee, dachte ich. Ich zählte bis zehn, bevor ich antwortete. »Ich möchte Anzeige gegen Tabitha und ihre Freunde erstatten, wegen Vorspiegelung falscher Tatsachen, übler Nachrede und Stalking.«
»Hört sich an, als ob Sie mit einem Anwalt gesprochen hätten.«
»Ich bin Anwältin.«
Hinter seinen zerkratzten Brillengläsern tat sich was. Vielleicht hatte er nun eine neue Erklärung für meine scheinbare Streitlust gefunden. »Die Beamten warten auf Sie wegen der erkennungsdienstlichen Behandlung. Kommen Sie.«
Ich wurde fotografiert, meine Fingerabdrücke wurden genommen und ich wurde in eine Arrestzelle gesteckt. Aber McCracken überzeugte die Polizisten, ganz wie er es versprochen hatte, mich gegen ein Schuldeingeständnis freizulassen. Eine Stunde später verließ ich die Wache als freier Mensch. Brian konnte ich nirgends finden. Der Empfangsbereich der Wache war leer bis auf den
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