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Gottesdienst

Titel: Gottesdienst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: M Gardiner
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hatte Peter Wyoming fast gar nichts anhaben können. Blass und friedlich lag er in seinem Sarg, der Kordelschlips glänzte im Neonlicht. Die Eintrittswunde und die Verbrennungen waren nicht zu erkennen, sie waren mit Blumen verdeckt. Lilien schmückten den Sarg, und um ihn herum standen große Gebinde auf Ständern: Dornenkronen und andere religiöse Motive.
    Die roten Roben der Chorsängerinnen wogten leise, während sie davon sangen, dass der Himmel mit einem Donnerschlag aufbrechen und die Zerstörer der Erde ihrem gerechten Ende zuführen würde. Neben der Bühne standen Isaiah Paxton und Curt Smollek, Letzterer sichtlich darum bemüht, ein überzeugendes Bild als Sicherheitschef abzugeben, auch wenn das für seinen Pastor zu spät kam. In der Nacht, als er starb, hatte Wyoming gewusst, dass er in Gefahr war, aber er hatte nicht bei seinem Leibwächter nach Hilfe gesucht, sondern bei Brian. Für mich bewies das eindeutig, dass die Standhaften hinter seinem Tod steckten.
    Allerdings konnte ich mir immer noch nicht erklären, warum der Mann Brian angerufen hatte. Mein Bruder behauptete, dass Wyoming in dieser Nacht bei klarem Verstand war, aber ich fragte mich, ob er nicht aus einem pharmazeutischen Impuls heraus gehandelt hatte. Seinem bizarren Verhalten in Tabithas Haus und vor der Polizeiwache von China Lake nach hatte ich inzwischen den Verdacht, dass die Betäubungsmittel, die Kevin Eichner für Chenille stehlen sollte, nicht für sie, sondern für ihren Mann gedacht waren.
    Plötzlich entdeckte ich Tabitha im Mittelgang, und mir drehte sich fast der Magen um. Ein schwarzes Kleid hing formlos an ihr herab, und mit ihrer blassen Haut und den kummervollen Augen wirkte sie wie eine von Krieg und Hunger in den Wahnsinn getriebene Protagonistin in einem Roman von William Faulkner. Ich fragte mich, ob sie Wyoming als ihr Kirchenoberhaupt oder als ihren Liebhaber betrauerte. Vielleicht verdankte sich ihr verwahrlostes Äußeres aber auch tatsächlich dem Hunger, schließlich hatte Chenille sie auf halbe Rationen gesetzt. Ich hatte gute Lust, sie mir zu schnappen und unter eine kalte Dusche zu verfrachten.
    Als der Choral beendet war, begannen die Lobpreisungen. Ein Mann aus der Gemeinde kam auf die Bühne, um an die Wundertaten zu erinnern, die Pastor Pete vollbracht hatte. Ihn habe er beispielsweise vor dem Alkohol gerettet. Ein zweiter Mann trat vor und putzte sich erst einmal die Nase. Wyoming habe den Krebs seiner Frau diagnostiziert, berichtete er. Und im Übrigen auch, dass sie ihn betrog. Weitere Kandidaten folgten. Pastor Pete hat mir das Licht gezeigt. Er hat mir gezeigt, wie man hartnäckige Verschmutzungen aus dem Teppich entfernt. Er hat mich von meiner Sucht nach Tabak befreit, von meiner Sucht nach Junkfood, von meiner Sucht nach thailändischen Stripperinnen. Die Gemeindemitglieder nickten zustimmend und priesen den Verstorbenen. Er hat meinem Sohn den Teufel ausgetrieben, jetzt zieht er keine Frauenkleider mehr an. Er hat mir die richtige Körperpflege beigebracht. Er hat mir die Welt erklärt. Als sich der letzte Sprecher schluchzend von der Bühne geschleppt hatte, stimmte der Chor ein neues Lied an, irgendetwas wie Amazing Rage. Die Majoretten machten sich an eine neue Nummer: Jede hantierte jetzt mit zwei Stäben, die sie blind fangen mussten, da sie durch die Schleier schlecht sehen konnten. Als sich mit einem Mal eine Frau mit rosa Plastikbrille kreischend auf den Sarg warf wie ein Fan beim Konzert von Tom Jones, schnappte sie sich Smollek und zog sie beiseite. Der Gesang wurde eindringlicher, die Majoretten erreichten den Höhepunkt ihrer Darbietung: über ihren Köpfen hielten sie die Stäbe verschränkt wie die Kreuze auf dem Berg Golgatha.
    Als die letzten Töne verklungen waren, stand Chenille auf. Die Menge verstummte.
    Sie sah aus wie ein neuer Mensch. Die pastellfarbenen Extras waren verschwunden, sie hatte sich von allen Oberflächlichkeiten getrennt. Ihre schwarze Kleidung wirkte streng, fast wie ein Mao-Anzug. Da ihr Zopf abgeschnitten und das Make-up entfernt war, wirkte sie fast androgyn.
    Sie blickte über die Menge hinweg. »Nicht ein Einziger von euch sollte überrascht sein. Wir wussten, dass es so kommen würde.« Sie wandte sich dem Sarg zu. »Er hat es gewusst.« Sie legte die Hand an Petes einbalsamierte Wange. »Du hast es gewusst, Baby.«
    Um mich herum brachten sich die Reporter in Stellung. Chenilles ungewöhnliche Gefühlsbekundung erregte ihre

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