Gottesgericht
Haus« bedeutete üblicherweise ein Landsitz umgeben von Grundbesitz. Die Vorstellung, dass jemand, der so wohnte, in Debbies Internetgruppe war, erschien Jane merkwürdig. Die Gruppe bestand hauptsächlich aus Leuten wie Debbie selbst. Dennoch, Mütter mit kleinen Kindern hatten ähnliche Sorgen, egal wer sie waren.
Erfreut darüber, wie sich alles entwickelte, räumte sie ihren Schreibtisch fertig auf und ging kurz zu Joe, um über die Reaktionen auf den Beitrag über die christliche Rechte mit ihm zu sprechen. Während sie plauderten, läutete das Telefon auf ihrem Schreibtisch. Die Umstände waren fast wie am Tag zuvor, und sie erwartete halbwegs, Marco Perselli am anderen Ende zu hören.
»Ich bin es, Jane.«
Es war tatsächlich ein Mann, aber nicht der Italiener. Es war Demir Orhun.
»Ich bin am Flughafen und habe nicht viel Zeit zu reden«, sagte er und klang ein wenig gehetzt.
Bei ihm in Ankara war es jetzt kurz vor drei.
»Ich habe bei Ersins Begräbnis mit jemandem von der ägyptischen Botschaft gesprochen, den ich sehr gut kenne. Dieses Buch, von dem Sie mir erzählt haben …«
Jane war verblüfft.
»Die Vision des Gorman , hieß es nicht so?«, fragte er.
Wieso brachte er es zur Sprache? »Äh, ja …«, sagte sie vorsichtig.
»Es wurde gestohlen.«
»Was? Wann?«
»Die Mönche des Katharinenklosters haben es gestern den Behörden gemeldet. Anscheinend hat die von den Terroristen geschickte Expertin es in ihrer Tasche aus der Bibliothek geschmuggelt.«
»Mein Gott. Das bedeutet …«
»Das bedeutet, ich muss mich bei Ihnen entschuldigen. Ich habe jetzt keine Zeit mehr; wenn wir uns treffen, erzähle ich Ihnen mehr. Und Jane … seien Sie bitte vorsichtig.«
Sie lehnte sich zurück. Das also hatte KOSS die ganze Zeit im Sinn gehabt. Die Prüfung von Mohammeds Schutzbrief war nicht das Einzige, was sie im Katharinenkloster erledigen wollten, falls sie sich überhaupt je dafür interessiert hatten. Sie lag richtig damit, dass die scheinbar kleinen Forderungen wichtig waren. Die Zeitbüchse konnte die Art von Gerät sein, über die Celani und Perselli spekuliert hatten. Und wenn KOSS sie in die Hände bekam, konnten sie das Datum des Jüngsten Gerichts entschlüsseln, das nach Perellis Ansicht irgendwo in der Handschrift unsichtbar vermerkt war. Im eigenen Namen oder für jemand anderen Zwistigkeiten im Nahen Osten zu schüren mochte zu KOSS ’ Absichten gehören, aber die Vision des Gorman und ein Gerät zusammenzubringen, das den niedergeschriebenen geheimen Zeitpunkt dechiffrieren konnte, würde ihr wahrer Lohn sein.
Aus Orhuns Blickwinkel war dieser Aspekt ihrer Arbeit weniger interessant. Aber es verschaffte Jane eine gewisse grimmige Befriedigung, dass sie hinsichtlich der Identität der Bande, die den Beitritt seines Landes zur EU untergraben hatte, richtiggelegen hatte. Und nun, da er dies anerkannt hatte, worüber sollten sie noch reden? Sie war immer noch verärgert darüber, wie leichthin er ihre Überlegungen abgetan hatte.
Und diese Warnung? Vor einigen Tagen hatte er ihr noch versichert, sie habe nichts von der Belisarius Brigade zu befürchten, weil sie schließlich nur der Bote sei. Warum sollte es jetzt anders sein? Daran, dass sie von KOSS bedroht wurde, war ohnehin nichts neu. Sie würde ihr Leben ganz normal fortsetzen.
40
Eden traf Hakan und Dr. Kelsey zusammen im Kartenraum an. Hakan verbrachte gern viel Zeit dort und verfolgte die neuesten Entwicklungen.
Der Missionsrat hatte Eden mitgeteilt, sie würde ihren Auftrag in ein, zwei Tagen von Hakan erhalten. Das war vier Tage her. Unter den Aktivisten an Bord war von einer irischen Rundfunkjournalistin die Rede gewesen, die der Organisation früher schon Ärger gemacht und vor Kurzem gemeldet hatte, dass sie sich im Gebiet des Sueskanals befanden. Man hatte jedoch bereits Schritte unternommen, ihr eine Warnung zukommen zu lassen. Alles, was Eden über ihren Auftrag wusste, war, dass sie in Kürze das Schiff verlassen sollte.
Hakan zeigte gerade auf eine Insel am westlichen Rand der Karte.
»Und da sind wir jetzt?«, sagte Dr. Kelsey und klopfte mit einem Fingernagel auf ein Seegebiet südlich der Insel.
»Mehr oder weniger«, bestätigte Hakan.
»Ah, hallo Eden, na, wie geht’s?«, sagte Dr. Kelsey, als sie bemerkte, dass Eden in den Kartenraum gekommen war.
Eden trat neben sie. Sie hatte in der kurzen Zeit ihrer Bekanntschaft Gefallen an Dr. Kelsey gefunden. »Gut. Und selbst?« Sie wollte vermeiden, dass Hakan
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