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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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fragen können – er war vor zehn Jahren gestorben. »Das war eine Möglichkeit, ihn zum Schweigen zu bringen«, hatte er gegenüber Golda gescherzt, als sie hörten, dass der Bruder seiner Frau an einem Herzinfarkt gestorben war, während er gerade eine Rede vor den Mitgliedern seines Toastmaster Clubs hielt. Sie hatte es gut aufgenommen. Shlomo hatte tatsächlich pausenlos geredet. Wie Golda im Übrigen auch. Bis der Tod auch sie zum Schweigen brachte. In Wahrheit vermisste Chaim ihr ständiges Geplapper, aber er war froh, dass sie diese Tortur nicht mit ihm durchstehen musste.
    Ein weiterer Hubschrauber, der über die Kuppel knatterte, ließ ihn aufblicken. Er konnte die Ikone von Maria und Jesus über seinem Kopf sehen, die Goldtäfelchen des Mosaiks glitzerten im Licht der Morgensonne, das durch die Fenster strömte. Die Führerin hatte ihnen erzählt, das Mosaik sei von einem begabten Künstler geschaffen worden, der in Ungnade fiel, als ein Kaiser auf den Thron kam, der die Herstellung von Ikonen verbieten wollte. Der Künstler weigerte sich, das Verdikt zu befolgen, weshalb der Kaiser seine Hände unbrauchbar machte, indem er sie auf glühend heiße Eisenplatten drückte. Es war eine Tat, die Hakan gefallen hätte.
    Sie hatten gesehen, wie er einen der Wachleute misshandelte. Der Mann war angeschossen und schwer verwundet worden, doch es war ihm gelungen, unbemerkt unter eine Marmorkanzel am Rand des Kirchenschiffs zu kriechen. In den frühen Morgenstunden hatte ihn sein Stöhnen jedoch verraten, und er wurde von zwei der Terroristen aus seinem Versteck geschleift. Der Blutspur nach, die er dabei auf dem Boden hinterließ, war klar, dass er ohne ärztliche Hilfe verbluten würde. Da es diese wahrscheinlich nicht geben würde, wäre es human und anständig gewesen, es ihm einigermaßen bequem zu machen. Stattdessen hatte ihn Hakan an den Füßen an einem der Kronleuchter aufgehängt, sodass er ausblutete wie ein Schlachttier, bis er starb. Ihre Reiseleiterin Irem Selçuk und ein paar muslimische Männer murmelten Gebete, und unter den übrigen Geiseln wurde entsetztes Flüstern laut. Aber niemand trat offen für den Mann ein – sie wussten, Hakan wartete nur auf einen Vorwand, sie zu bestrafen.
    »Nichts würde mir mehr Vergnügen machen, als euch alle hier hängen zu lassen«, sagte Hakan, als sie die Leiche endlich abnahmen. »Also lasst euch das eine Warnung sein – versucht keine Dummheiten.«
    Es war ohnehin nicht so, dass sie viel versuchen konnten. Gleich zu Beginn der Entführung hatte die Bande sie nach allem durchsucht, was sich möglicherweise als Waffe verwenden ließ, und ihnen die Handys abgenommen. Chaim sah, dass die Telefone jetzt auf einem Tisch ausgelegt waren, und jede Geisel schien ihres zu identifizieren und ein paar Fragen zu beantworten. Das asiatische Mädchen saß an dem Tisch und schrieb alles auf, während Hakan neben ihr stand.
    »Ah, Mr. Elon …«, sagte Hakan mit gespielter Wärme in der Stimme.
    »Eins der restlichen Handys hier gehört Ihnen – identifizieren Sie es«, sagte Eden.
    Chaim erkannte Hakans Freundlichkeit als ebenso falsch wie die Schroffheit der jungen Frau. Da er sein Leben lang immer mit Menschen zu tun gehabt hatte, konnte er sie gut lesen. Vielleicht wollte sie Hakan beeindrucken.
    Chaim ließ den Blick über die Telefone auf dem Tisch wandern. Zwei lagen nebeneinander, die beide seines sein konnten. Warum musste die Sache so kompliziert sein?
    »Ich … ich weiß nicht genau«, sagte er, und seine Hand schwebte zitternd über den Geräten. Auf diese Weise fiel er ungewollt auf.
    »Heben Sie es auf und schauen Sie auf das Display«, sagte die junge Frau.
    Chaim nahm ein Handy und drückte auf eine Taste. »Das ist meins«, sagte er.
    »Sie sind uns sehr wichtig, Mr. Elon«, sagte Hakan. »Deshalb müssen wir unbedingt genau wissen, welches Handy Ihnen gehört.«
    Chaim verkniff sich die Frage, warum. Je weniger Interaktion, desto besser. Doch die ganze Prozedur war lächerlich. Würde irgendwer ein Handy nehmen, das ihm nicht gehörte? Wenn sie andererseits glaubten, er könnte versucht sein, es zu tun, dann gab es vielleicht einen Grund, sich über andere Dinge Sorgen zu machen.
    Die Frau namens Eden hatte seinen Namen auf ein selbstklebendes Etikett geschrieben, das sie nun abzog und auf die Rückseite des Handys klebte. Sie bedeutete ihm mit einem Nicken weiterzugehen.
    Chaims Display-Hintergrund war das Foto eines Kleinkinds – seines jüngsten

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