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Gottesgericht

Gottesgericht

Titel: Gottesgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Dunne
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getüpfelt. Der gesamte Ausschnitt war etwa vier Meter breit, und der graue Ring in der Mitte zwei, drei Meter im Durchmesser. Auf einer Seite sah sie eine Anzahl glänzender Metallständer, wahrscheinlich dazu benutzt, den gemusterten Teil des Bodens abzusperren, denn zwischen ihnen hing rotes Band mit dem Aufdruck AYASOFYA MUZESI beziehungsweise abwechselnd HAGIA SOPHIA MUSEUM . Zwischen den Pfosten konnte sie auf einer an einem Ständer befestigten grünen Tafel das Wort OMPHALION erkennen.
    Sie hörte, wie der Mann am Laptop den Stuhl zurückschob und eine letzte Taste drückte, und damit wurde der Videoschirm dunkel.
    Jane sah auf die Uhr in der oberen Ecke ihres Computermonitors. 21.52 Uhr. Zum Glück waren Scott und Beth ann im Bett und schliefen fest. Sie dachte an das Glas Wein rechts von ihr auf dem Schreibtisch. Sie hatte es zu einem Viertel gefüllt und bisher nichts davon getrunken. Ihrer Theorie nach fing sie am besten erst gar nicht an, aber falls sie ihren Entschluss nicht durchhielt, würde sie weniger auf einmal hinunterschütten und sich erst auf den Weg zur Flasche machen müssen, um nachzufüllen. Und das würde ihr helfen, es einzuschränken. So weit jedenfalls die Theorie.
    Ohne Vorwarnung sprang der Schirm wieder an; jetzt war die Kamera angehoben und weiter zurückgeschoben worden. Das gemusterte Quadrat im Boden war immer noch sichtbar, doch aus diesem Blickwinkel sahen die Kreise eher wie Ovale aus. Ein schlichter Holzstuhl stand in der Mitte der größten Scheibe. Dahinter wurde der weite Raum des Kirchenschiffs von Kronleuchtern erhellt, die nur wenige Meter über dem Boden hingen.
    Eine Frau ging an der Kamera vorbei zur Mitte des Quadrats, wo sie sich umdrehte und neben den Stuhl stellte. Sie war klein, aber wohlgeformt und mit einer marineblauen taillierten Jacke und einer weißen Bluse bekleidet. Ihre großen braunen Augen wurden von den scharf gezeichneten Halbmonden ihrer Augenbrauen eingerahmt, und sie war stark geschminkt. Ihr hennarotes Haar klebte jedoch strähnig an Hals und Stirn. Auf ihrer Brust ruhte eine Lesebrille an einer funkelnden Kette. In einer Hand hielt sie ein Blatt Papier.
    »Guten Abend. Mein Name ist Irem Selçuk, und das ist … das ist …« Die Stimme versagte ihr. Dann holte sie tief Luft. »Und nun kommen wir zum Omphalion«, sagte sie und hob die Stimme dabei, da sie in die vertraute Sprechweise der Museumsführerin verfiel. »Hier wurden die byzantinischen Kaiser gekrönt, und es war ihr Platz, wenn sie an einem Gottesdienst teilnahmen. Der Kaiserthron stand für diese Zeremonien auf dem größten der Ringe.« Sie zeigte auf die Scheibe, auf der sie stand.
    »Omphalion ist griechisch und bedeutet ›Nabel der Welt‹. Es heißt, die Kreise in dem Quadrat würden die Erde umgeben von den zwölf Tierkreiszeichen symbolisieren und …« Irem hielt inne und nickte in Richtung Kamera. Jemand hinter dieser hatte einen Befehl gebrüllt. »Und jetzt«, setzte sie erneut an und hob das Blatt Papier, um davon abzulesen, während sie mit der anderen Hand versuchte, die Brille aufzusetzen. Doch beide Hände zitterten sichtbar, und die Seite flatterte vor ihrem Gesicht. »Und jetzt … bitte ich Sie alle vorzutreten.«
    Die Geiseln kamen an der Kamera vorbei ins Blickfeld geschlurft und stellten sich mit dem Gesicht zur Kamera entlang dreier Seiten des Quadrats auf. Die Männer waren alle hemdsärmelig, ihre Mienen waren grimmig, die Gesichter der Bartlosen ließen die Stoppeln mehrerer Tage sehen. Die Frauen waren blass, manche verweint, und aus irgendeinem Grund hatten sie alle ihre Handtaschen über die Schulter gehängt oder unter den Arm geklemmt.
    »Alle haben ihr Handy zurückerhalten«, erklärte Irem nun, nachdem sie erneut ihr Skript zurate gezogen hatte. »Die Damen haben ihres in der Handtasche, die Herren in der Brusttasche ihres Hemds. Die türkische Regierung hat die Nummern aller Personen, und sobald sie ihre Wahl getroffen hat, werden wir das Telefon läuten hören und dann den Besitzer identifizieren.«
    Die Damen, die Herren. Es wäre putzig, wenn es nicht mit solch grausamer Absicht geschähe, dachte Jane.
    Irem blickte über ihre Brille zu der Person hinter der Kamera. »Und die Frist für die Antwort aus Ankara läuft in … exakt einer Minute aus.«
    Sie nahm ihre Brille ab und ging nach rechts aus dem Bild.
    Sekunden vergingen ohne einen Laut – zehn, zwanzig, dreißig. Jane brauchte keinen Zeitmesser, sie war es gewohnt, eine Minute zu

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