Gottesgericht
einer Bar gleich bei der Kirche, setzte sich allein ins Freie und bestellte einen Caffè lungo . Die umliegenden Gebäude reflektierten das Licht des sonnigen Aprilvormittags, und er musste seine Sonnenbrille aufsetzen, wenn er jemanden erkennen wollte, der möglicherweise über die winzige Piazza vor der Kirche kam. Die gepflasterte Fläche war so klein, dass er Pfarrer Kamarda leicht übersehen konnte, falls dieser die Treppe von der Kirche herunterkam und rechts oder links abbog.
Zwei schlichte Särge hatten während des Begräbnisgottesdiensts auf Böcken am oberen Ende des Mittelgangs gestanden. Auf jedem lag ein Kranz, aber es fehlten Fotos oder persönliche Erinnerungsstücke. Wie es schien, waren keine Angehörigen mehr übrig, um die letzten beiden Mitglieder der Familie Bua zu betrauern. Nicht einmal Shpresas Mann schien sich die Mühe gemacht zu haben, am Begräbnis teilzunehmen.
Die kleine Kirche war zur Hälfte gefüllt, Einheimische und Reporter und Fotografen, die bei Pfarrer Kamarda durchgesetzt hatten, dass sie eingelassen wurden, teilten sich die Plätze. Er hatte es gestattet, weil es keine Prozession zum Friedhof geben würde und damit keine Gelegenheit, Fotos zu schießen oder zu schildern, wie dieses tragische Paar an seine letzte Ruhestätte geleitet wurde. Kamarda hatte es jedoch eisern abgelehnt, die neugierigen Augen der Kameras weiter als bis zur äußeren Tür der Krypta vorzulassen.
Am Ende des Gottesdiensts hoben zwei schwarz gekleidete Bestattungsunternehmer und vier Männer aus dem Dorf den ersten der beiden Särge auf die Schultern und trugen ihn durch einen schmalen Durchgang zwischen einem der Seitenaltäre und der Mauer der Kirche. Pfarrer Kamarda öffnete ihnen die äußere Tür zur Krypta, die Männer gingen mit ihrer Last hindurch, und er schloss die Tür wieder. Kurz darauf kamen sie heraus, um den zweiten Sarg zu holen, und die Prozedur wurde wiederholt, aber diesmal kamen nur die zwei Bestatter anschließend zurück in die Kirche. Wie es schien, würden allein die Einheimischen die Bestattung abschließen, indem sie in die eigentliche Krypta hinunterstiegen.
Giuseppe hatte seinen Kaffee ausgetrunken und rauchte eine Zigarette, was er nur sehr selten tat – und neuerdings ausschließlich im Freien. Er wurde langsam ungeduldig. Die Medienvertreter waren längst abgereist, und die beiden Bestatter waren mit dem Leichenwagen weggefahren, in dem sie die Särge überführt hatten. Es waren kaum Dorfbewohner unterwegs, und nur gelegentlich ratterte ein Auto oder ein Lieferwagen vorbei oder parkte für ein paar Minuten vor der Bäckerei auf der anderen Seite der ruhigen Straße. Aber bisher hatte er weder den Priester noch die vier Männer aus der Kirche kommen sehen. Und er wusste, es gab nur einen Aus- und Eingang: durch das Portal oberhalb der Treppe, die auf die Piazza hinunterführte. Und doch war das Portal verschlossen – vor etwa zwanzig Minuten hatte er beobachtet, wie eine schwarz gekleidete ältere Frau aus einer der Seitenstraßen gekommen und die Treppe hinaufgestiegen war, wie sie die Klinke ein paar Mal gedrückt hatte und schließlich aufgab und weiterging.
Er wollte mit Pfarrer Kamarda reden. Ihm nur eine Idee vortragen. Er drückte die Zigarette aus. Eine leichte Brise wehte vom Tal herauf und brachte den Duft von Wildkräutern und Frühlingsblumen mit.
In diesem Augenblick ging ein Flügel der Tür auf, und Pfarrer Kamarda kam mit den vier Männern aus der Kirche. Sie standen noch eine Weile im Gespräch beisammen, während der Priester die Tür wieder abschloss. Dann zerstreuten sich die Männer paarweise nach links und rechts. Giuseppe wollte sich schon erheben, aber Kamarda kam die Treppe herunter direkt auf ihn zu.
Giuseppe nahm die Sonnenbrille ab, um Augenkontakt herstellen zu können, und hob die Hand zum Gruß. Sie kannten einander, da sie beide dem Spendenausschuss für den Bau eines Exerzitienhauses angehörten, das in den nahen Hügeln an der Stelle eines früher von Einsiedlermönchen bewohnten Höhlenkomplexes geplant war.
Pfarrer Kamarda nickte in Erwiderung des Grußes. Sein Kopf war von einer dünnen Schicht ölig schwarzem Haar bedeckt, und alle seine Gesichtszüge schienen abwärtszufließen; unter den Augen breiteten sich konzentrische Hautringe wie geschmolzenes Wachs aus, ein schmallippiger Mund bog sich zu einer Sichel abwärts, und Hautlappen hingen vom Unterkiefer.
Giuseppe deutete zu dem Stuhl auf der anderen Seite des kleinen
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