Gottesgericht
unterteilen. Dann hustete eine der männlichen Geiseln, und das löste ein kurzes allgemeines Husten aus. Es hatte gerade aufgehört, als die unverkennbare Melodie eines Nokia-Klingeltons erklang.
Die Geiseln blickten sich nach links und rechts um. Dann erschienen schwarz gekleidete und mit Maschinenpistolen bewaffnete Mitglieder der Bande unter ihnen und stießen sie aus dem Omphalion. Ein Mann mittleren Alters blieb allein am Rand der Fläche zurück.
Das Telefon des Mannes hörte augenblicklich auf zu läuten. Einer der Bande stieß dem Mann den Lauf seiner Waffe in den Rücken und schob ihn in Richtung des Stuhls im Mittelkreis. Ein unbewaffneter Terrorist, dessen Sturmhaube nur Mund und Augen sehen ließ, trat vor und bedeutete ihm mit einer Geste, sich zu setzen. Als er gehorchte, ohne seine missliche Lage anscheinend recht zu begreifen, sah Jane, dass er älter war, als sie zunächst gedacht hatte. Die Haut seines schmalen Gesichts war tief zerfurcht, und nur wenige weiße Haarbüschel standen wie Federn seitlich von seinem Kopf weg.
»Um Gottes willen«, flüsterte Jane für sich. Die Männer konnten diese Sache doch wohl unmöglich durchziehen.
Der Terrorist hinter dem Stuhl langte über die Schulter des Mannes, fischte das Mobiltelefon aus der Brusttasche seines Hemds und hielt es in die Höhe. »Anstatt auf unsere Forderungen einzugehen, hat die türkische Regierung beschlossen, diesen Mann leiden zu lassen«, verkündete er.
Es war das erste Mal, dass einer der Terroristen gesprochen hatte, soweit Jane wusste, und zu ihrer Überraschung hatte er einen amerikanischen Akzent.
Er drehte das Handy um und las von einem Etikett auf der Rückseite ab. »Sein Name ist Chaim Elon, und er ist aus Israel.« Er drehte sich zum Rest der Geiseln um, die man hinter ihm aufgereiht hatte. »Eine Runde Applaus für Chaim, bitte«, rief er. Schwaches Klatschen erhob sich aus der Schar der Geiseln.
Jane drehte es den Magen um.
Der Terrorist bückte sich, steckte das Handy in die Brusttasche des alten Manns zurück und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Mann nickte, als würde er einem Vorschlag seines Friseurs zustimmen.
Der Terrorist hob den Kopf und blickte geradeaus in die Kamera. »Da er Jude ist, kann unserem Gefangenen nicht dieselbe Rücksichtnahme gewährt werden wie einem Angehörigen eines anderen Glaubens.« Er machte jemandem außerhalb des Kamerabereichs ein Zeichen.
Speichel begann sich in Janes Mund zu sammeln. Gleich würde ihr übel werden. Sie zog ein Papiertaschentuch aus dem Ärmel und drückte es an ihren Mund.
Ein weiteres Bandenmitglied kam ins Bild, ging in die Hocke und band Arme und Beine des Mannes mit einem Stück Nylonseil an den Stuhl. Von hinten hatte Jane den Eindruck, als wäre es eine Frau, die diese Aufgabe erfüllte.
Der Terrorist, der gesprochen hatte, legte die Hand auf die Stirn des Mannes. Dann zog er ein Teppichmesser mit gelbem Griff aus der Innentasche seiner Jacke.
Um Himmels willen, er sticht ihm die Augen aus, dachte Jane und streckte schnell die Hand über die Tastatur aus.
Doch ehe sie das Fenster schließen konnte, legte der Terrorist einen Arm um den Kopf des Israeli und riss ihn nach hinten, dann rammte er das Messer unter dem Ohr in seinen Hals und zog es quer über die Kehle.
Blut begann in alle Richtungen zu spritzen, und über das Hemd des Opfers ergoss sich ein ganzer Sturzbach aus Blut. Der Mann begann zu würgen, sein Körper bäumte sich auf. Dann fiel er zusammen mit dem Stuhl seitlich in die Blutlache, die sich über den Boden ausbreitete. Bei seinem Sturz schoss ein letzter Strahl in die Luft und klatschte auf die farbigen Bodenkreise wie ein Tropf-Gemälde von Jackson Pollock.
Jane sprang von ihrem Schreibtisch zurück, als könnte das Blut jeden Moment aus dem Monitor spritzen. Dabei stieß sie das Weinglas um, dessen Inhalt über den Schreibtisch und unter den Computer lief. Sie wischte hektisch mit ihrem Taschentuch danach und warf einen Blick auf den Bildschirm, in der Hoffnung, dass alles aus und vorbei war.
Doch der Mann machte immer noch ruckartige Bewegungen, und sie ließen den Stuhl langsam in der blutverschmierten Scheibe rotieren. Es war, als würde er langsam auf einer Art mittelalterlichem Folterinstrument gedreht.
Jane lief ins Badezimmer und übergab sich, bevor sie die Kloschüssel erreicht hatte.
13
Nachdem Giuseppe Rinaldi an dem gemeinsamen Begräbnis von Enzo Bua und seiner Tochter Shpresa teilgenommen hatte, hielt er an
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