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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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sind, aber Ihr Armband hat Sie verraten.« Er lächelte sie an.
    Lina sah auf ihr Handgelenk und schüttelte es. Sogleich klimperten die silbernen Anhänger.
    Â»Das beruhigt mich ja, dass Sie auch zu spät sind. Damit konnte ja niemand rechnen.« Sie zeigte auf den Baum, der inzwischen zersägt auf einem kleinen Lastfahrzeug lag. In diesem Moment fuhr endlich der Bus an.
    Â»Wohnen Sie hier in der Gegend?«, fragte Lina, während sie wieder auf die Uhr sah. Fünfzehn Minuten Verspätung, die konnte sie nicht aufholen, auch wenn sie von der Busstation zur Praxis rannte.
    Â»Ja. Und Sie?«
    Â»Ich wohne auch nicht weit. Eigentlich nehme ich sonst die U-Bahn, aber das ging ja heute nicht.«
    Lina spürte den Atem von Herrn Lange in ihrem Nacken und dachte, dass er sich ruhig wieder nach hinten lehnen könnte. Als hätte er ihre Gedanken gelesen, hörte sie seine Jacke hinter sich rascheln, und sein Atem verschwand.
    Als Lina die Tür zu Doktor Ritters Therapiezimmer öffnete, saß der Therapeut an seinem Schreibtisch und sah sie kühl an. Er hasste Verspätungen.
    Lina entschuldigte sich, schob dann Herrn Lange ins Zimmer und meinte charmant: »Aber ich habe gleich Ihren erstenPatienten mitgebracht!« Während sich Herr Lange auf der Liege ausstreckte, ging sie aus dem Zimmer und verschwand in die Küche, um Doktor Ritter einen Kaffee zu machen.
    Als sie wenig später leise mit dem Kaffee zurückkam, sprach Doktor Ritter in ruhigem Ton auf Herrn Lange ein.
    Â»So ist es gut, entspannen Sie sich, Herr Lange, denken Sie an eine bunte Blumenwiese, hohes Gras … die warmen Sonnenstrahlen streicheln über Ihren Kopf, Ihr Gesicht und wandern hinunter zu Ihrem Nacken. Alle Verspannungen lösen sich, wie kleine Schmetterlinge, die in alle Himmelsrichtungen davonfliegen, und Sie fühlen sich frei. Frei von aller Last …«
    Lina stellte die Tasse Kaffee auf dem kleinen Beistelltischchen ab.
    Doktor Ritter zwinkerte ihr zu und legte seinen Zeigefinger auf die Lippen. Dann sprach er mit sonorer Stimme weiter: »Jetzt atmen Sie tief ein, füllen die Lungen mit Sauerstoff und halten die Luft an. Zählen Sie bis eins.«
    Lina traute ihren Ohren nicht. Hatte Herr Lange nicht ausdrücklich gesagt, dass er nicht hypnotisiert werden wollte? Hatte er nun doch plötzlich seine Meinung geändert?
    Herr Lange atmete tief durch. Seine Augen rollten unter den Lidern hin und her, als sähe er einen Film mit schnell geschnittenen Bildern.
    Â»Gehen Sie zu dem Leben zurück, in dem die Probleme mit Ihrer Mutter das erste Mal auftraten. Was sehen Sie?«
    Â»Ein Haus … eine Art Hof mit Stallungen …«
    Â»Wie heißen Sie?«
    Â»Ich weiß nicht.«
    Â»Gehen Sie zu einem Zeitpunkt, an dem man Sie ruft, Sie beim Namen nennt.«
    Nach einer kleinen Pause sagte Herr Lange: »Ich heiße Wilhelm.«
    Â»Wilhelm, können Sie erkennen, in welchem Jahr Sie leben?«
    Â»Eins … sechs … acht … zwei.« Die Zahlen kamen langsamund stockend über Herrn Langes Lippen, als lese er sie irgendwo ab, könne die Ziffern aber nicht genau erkennen.
    Â»1682, im 17. Jahrhundert also. Wissen Sie, in welchem Land Sie sich befinden?«
    Â»In Deutschland.«
    Â»Sehen Sie an sich herunter. Was haben Sie an?«
    Â»Ein Hemd, darüber eine Weste. Außerdem Strümpfe, Lederschuhe und eine Hose, die am Knie endet.«
    Â»Sind Sie reich?«
    Â»Nein, nicht richtig reich, aber es geht uns gut. Wir haben Bedienstete. Sie schreit mich wieder an.«
    Â»Wer?«
    Â»Meine Frau.«
    Â»Warum? Was sagt sie?«
    Â»Sie wird dafür sorgen, dass ich dafür bezahle.«
    Â»Wofür sollen Sie bezahlen?«
    Herr Lange lächelte jetzt. »Ich liebe sie. Sie ist so zart, und sie trägt mein Kind in sich.«
    Â»Ihre Frau?«
    Â»Nein, meine Geliebte. Luise. Eine unserer Bediensteten. Ein wunderschönes Mädchen. Sie hat lange schwarze Haare und ein wunderbares Lächeln.«
    Â»Gehen Sie ein bisschen weiter in diesem Leben. Was passiert noch?«
    Herr Lange verzog das Gesicht. Eine Träne rann ihm aus einem Auge.
    Â»Was sehen Sie?«
    Â»Ich stehe vor meiner Geliebten. Sie sieht mir in die Augen … Ich habe eine Fackel in meiner Hand. Meine Frau steht neben mir. Dann zünde ich das Reisig an. Sie schreit, und dann fällt etwas zwischen

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