Gottesopfer (epub)
ich nach Hause gefahren.«
»Und das ist wo, wenn ich fragen darf?«
»In meiner Pfarrei in Hummelsbüttel.«
»Zeugen?«
»Nein. Wie auch? Ich habe schlieÃlich keine Ehefrau, die zu Hause auf mich wartet.«
»Ja, richtig. Aber vielleicht hat Sie ja jemand besucht? Ihre Haushälterin? Oder ein hübscher kleiner Ministrant?«, fragte Sam.
»Worauf wollen Sie hinaus?« Roland Wohlhagen war empört.
Juri kratzte sich am Kopf. Das Gespräch nahm eine merkwürdige Wendung, fand er.
»Es gibt doch genug Priester, die sich an kleinen Jungs vergreifen. Sie wären nicht der Einzige. Ist nicht deshalb auch Aids ziemlich verbreitet unter euch Schwarzröcken? Und abgesehen davon: Wenn Sie es sich vorgestern Abend von einem Ihrer Ministranten haben besorgen lassen, haben Sie immerhin ein Alibi und â¦Â«
»Das ist doch unerhört!« Der Pfarrer unterbrach Sam fassungslos. Er erhob sich und machte Anstalten, den Raum zu verlassen.
»Setzen Sie sich wieder!«, sagte Sam barsch.
»Warum waren Sie bei der Sitzung von Pater Dominik?«
»Aus Interesse.« Der Pfarrer sah Sam verächtlich an.
»Was halten Sie von Teufelsaustreibungen?«
»Was soll das nun wieder?«
»Antworten Sie!«
»Ich bin kein Exorzist, wenn Sie das meinen.«
Die Wangen des Pfarrers waren rot vor Wut. Unglaublich, wie man hier mit ihm umsprang.
Sams Blick war auf den Boden gerichtet. Er strich sich mit beiden Händen sein Haar zurück und begriff plötzlich, dass er seine ganze Wut an diesem Mann ausgelassen hatte. An ihm und nicht an Doktor Willfurth oder der unfähigen Nachtschwester. Er schämte sich. Auf einmal war er furchtbar müde. Juri sah ihn von der Seite an und erkannte, wie erschöpft und verzweifelt sein Chef war.
»Gehen Sie!«, sagte Sam leise.
»Was?«
»Ich sagte: Gehen Sie.«
Der Pfarrer stand zögernd auf und ging zur Tür. Dort drehte er sich noch einmal um und sagte: »Das wird ein Nachspiel haben!«
»Was hast du dir denn dabei gedacht?«, fragte Juri, sobald Roland Wohlhagen die Tür hinter sich geschlossen hatte. Er sah Sam ratlos an.
»Ich wollte ihn nur ein bisschen aus der Reserve locken.«
»Indem du ihm unterstellst, seine Ministranten zu missbrauchen? Was hat das denn mit unserem Mörder zu tun?«
»Gar nichts. Ich wollte â¦Â ich hatte eben Lust, ihm eine Lektion zu erteilen, diesem arroganten Sack.«
»Schon klar.« Juris Stirn legte sich in Falten, dann meinte er: »Vielleicht gehst du doch besser ins Hotel? Nimmst dir frei, ruhst dich ein wenig aus? Ich halte hier die Stellung.«
»Ja, ist vielleicht besser«, meinte Sam und zog sich langsam seinen Mantel an. Dann öffnete er die Tür, trat auf den Gang hinaus und ging Richtung Ausgang, langsam wie ein alter Mann.
42
Ein Sturm war in der Nacht über Hamburg hinweggefegt, hatte Ziegel von den Dächern gerissen und Bäume entwurzelt. In die Oberleitung der U-Bahn war ein Baum gekracht, die Strecke war gesperrt, wie Lina der Lautsprecherdurchsage an ihrer Haltestelle entnommen hatte. Also war sie auf den Bus ausgewichen, doch auch hier ging nichts vorwärts. Ãberall lagen Ãste auf den StraÃen und blockierten den Verkehr. Quer über den Mittelweg lag eine dicke Eiche, sodass der Bus in Richtung Innenstadt die StraÃe nicht passieren konnte.
Lina sah auf die Uhr. Mist, sie kam zu spät in die Praxis. Das würde Doktor Ritter mit Sicherheit nicht gefallen. Sie beobachtete, wie sich Arbeiter mit einer Kettensäge an dem Baum zu schaffen machten.
Ihre Gedanken waren wieder bei Sam. Er hatte am Dienstag kein Wort gesagt und sie nur unbeteiligt angesehen. Deutlicher konnte er wohl kaum zeigen, dass er kein Interesse an ihr hatte. Na ja, wenn sie ehrlich war, hatte er das auch die letzten Male,die sie sich gesehen hatten, getan. Sie sah traurig aus dem Fenster. Dann fiel ihr ein, dass sie gar nicht gefragt hatte, warum man sie aufs Präsidium bestellt hatte. Sam musste irgendeine Verbindung sehen zwischen seinem Fall und Pater Dominik. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum er öfter in der Kirche aufgetaucht war. Hatte Juri nicht etwas von einer Sondereinheit und einem Frauenmörder erzählt? Aber was hatte der Pater damit zu tun?
»Hallo, Frau Lopez!«
Lina drehte sich um. Direkt hinter ihr saà Herr Lange.
»Ich wusste erst nicht, ob Sie es
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