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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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der dort noch von ihm hing. Dieses Mal war es anders, das fühlte sie, sie würde nichts bereuen. Sie hoffte, dass sie für ihn kein One-Night-Stand war.
    Wie will er mich überhaupt anrufen, er hat ja gar nicht meine Nummer, schoss es ihr plötzlich durch den Kopf. Sie hatten nicht einmal ihre Handynummern ausgetauscht. So ist das also, dachte sie enttäuscht. Dann fiel ihr ein, dass ihre Nummer ja im Vernehmungsprotokoll stand. Dort hatte sie alles angeben müssen: ihren Geburtstag, ihre Adresse, ihre Telefonnummer.
    Sie sah noch einmal auf den Zettel. Ich ruf dich an. Phantastisch, nun würde sie den ganzen Tag an nichts anderes mehr denken können und sehnsüchtig darauf warten, dass ihr Handy ein Lebenszeichen von sich gab. Wie immer, wenn sie bis über beide Ohren verliebt war, fühlte sie sich ein bisschen, als hätte sie einen schweren Schock erlitten. Wie in einem katatonischen Zustand konnte sie keinen klaren Gedanken fassen, nichts Vernünftiges tun.
    Sie stand auf, legte die CD von Inara George ein und lauschte einen Augenblick dem Lied. »Fools in love … Is there anything more pathetic. Everything you do, everywhere you go now, everything you touch, everything you feel … you do it for your baby love.«
    Sie ging summend unter die Dusche, legte das Handy in Reichweite und stellte den Klingelton auf die höchste Lautstärke. Als sie die Haare gerade voller Schaum hatte, hörte sie die Türklingel. Ihr Herz setzte fast aus vor Freude. Er war noch einmal zurückgekommen! Sie sprang mit nassen Haaren aus der Dusche, wickelte sich ein Handtuch um und öffnete die Tür.

44
    Sam war auf dem Weg zu seinem Hotel, um vor der Fahrt noch schnell zu duschen und sich zu rasieren. Noch im Treppenhaus hatte er sein Handy eingeschaltet und festgestellt, dass er mehrere Anrufe in Abwesenheit – alle von Juri – und eine SMS – ebenfalls von Juri – erhalten hatte. Er las die SMS: »Ruf mich sofort an. Megawichtig! LG, Juri« Als er aus dem Haus trat, sah er zu seiner Überraschung strahlend blauen Himmel, was hier, so viel hatte er in Hamburg schon gelernt, zur Kategorie »höchst selten« zählte. Bisher hatte er nur Schnee, Schneesturm, kalte Ostwinde und viel, viel Regen erlebt, und er gestand sich ein, dass er München Hamburg allemal vorzog.
    Es wäre ein schöner Tag gewesen, um mit Lina einen Spaziergang an der Elbe oder Alster zu machen. Schade, dass er stattdessen seine Zeitreise antreten musste. Zum ersten Mal seit Tagen fühlte er sich entspannt, die Nacht mit Lina hatte ihn ein wenig den Tod von Lily vergessen lassen. Lina war so leidenschaftlich gewesen, ihre Berührungen so intensiv, dass er sich jetzt schon nach ihrer Haut, ihrem Duft und ihren Händen sehnte. Sie hatte etwas in seinem Herzen geöffnet, was allzu lange verschlossen gewesen war. Er konnte sich kaum noch daran erinnern, wann er das letzte Mal so empfunden hatte.
    Natürlich hatte er auch Lily geliebt, und es hatte ihm lange Zeit genügt, nur für sie da zu sein. Als sie zu ihm gezogen war, hatte er sein Leben, vor allem sein Liebesleben, hintangestellt. Keine seiner Beziehungen hatte länger als drei Monate gehalten.Es war einfach kein Platz in seinem Herzen gewesen. Er hatte alles wiedergutmachen wollen, was ihre Mutter in Lilys Kindheit verpfuscht hatte. Aber nach Lilys Rückkehr aus Thailand hatte sich sehr viel geändert. An die Stelle der Bruderliebe war etwas anderes getreten, was er nicht genau hatte definieren können. Er war immer unzufriedener geworden, hatte ständig ein schlechtes Gewissen gehabt, wenn er nicht bei ihr gewesen war, sie nicht in der Klinik besucht hatte. Mit der Zeit war er außerdem immer ängstlicher geworden. Er hatte befürchtet, dass Lilys Zustand unkontrollierbar werden würde. Sein Gefühl hatte ihn nicht getrogen.
    Eigentlich hatte er seit Wochen gewusst, dass es so nicht weitergehen konnte, dass ihn das Pendeln zwischen Büro und Klinik an den Rand seiner Kräfte brachte. Zum ersten Mal seit Lilys Tod empfand er eine gewisse Erleichterung, auch wenn er sich bei diesem Gedanken zuerst schämte. Doch als er noch einmal über die letzte Zeit nachdachte, gestand er sich ein, dass Lilys Tod für sie beide eine Erlösung war.
    Wieder dachte er an Lina. Sie hatte sich leise und zaghaft in sein Herz geschlichen. Er roch an seinen Händen,

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