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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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noch immer haftete eine Spur ihres Duftes an ihnen. Dann atmete er tief durch und wählte die Nummer von Juri, um zu hören, was so megawichtig war.
    Â»Ich habe gestern den ganzen Abend versucht, dich anzurufen. Wo warst du?«, platzte Juri los, ohne ihm einen Guten Morgen zu wünschen.
    Â»Guten Morgen«, erwiderte Sam.
    Â»Guten Morgen, wo bist du jetzt?« Juris Stimme klang aufgeregt.
    Â»Auf dem Weg in mein Hotel.«
    Es entstand eine kurze Pause. Offensichtlich fragte sich Juri, wo sein Chef die Nacht verbracht hatte, wenn er ganz offensichtlich nicht im Hotel gewesen war. Doch verkniff er sich die Frage und sagte nur: »Okay, dann hole ich dich dort ab und erzähl dir dann, was ich gefunden habe.«

    Als Sam das Hotel erreichte, saß Juri auf einer kleinen Mauer, die den Eingangsbereich des Hotels umschloss, und hielt sein Gesicht in die wärmende Sonne. Als er Sam entdeckte, sprang er auf. »Du wirst nicht glauben, was ich gefunden habe. Hier, sieh dir das an!« Juri entfaltete die Liste der tausend Brände und zeigte auf einen mit rotem Leuchtstift eingekreisten Eintrag.
    Â»â€º10. 10. 1995: Brand im Hospiz zum Weg ins Licht , Opfer: Schwester Augustina.‹ Na, was sagst du? Komischer Zufall, oder?«
    Â»Ja«, sagte Sam langsam, »das ist wirklich komisch.«
    Sam starrte auf das Datum. War das nicht derselbe Tag, an dem auch dieser Pater Paul aus dem Dominikanerkloster gestorben war?
    Er ordnete seine Gedanken. Das Hospiz befand sich in der Nähe von Karlsruhe. Vielleicht sollte er vor ihrem Ausflug ins Mittelalter dort vorbeifahren? Das hätte auch den Vorteil, dass sie dann getrennt fahren würden. Sam war auf so langen Strecken lieber allein, dann konnte er ungehindert seinen Gedanken nachhängen, die Musik hören, die er wollte, und musste keine Unterhaltung führen.
    Â»Juri, ich fahre vor dem Burgfest in das Hospiz und statte den Schwestern einen Besuch ab. Wir treffen uns in Burghausen.«
    Juri nickte, ging zu seinem Auto, öffnete den Kofferraum, holte ein Bündel Kleider heraus und reichte es Sam.
    Â»Wir sehen uns dann auf der Burg, edler Herr«, sagte er, stieg ins Auto und fuhr los, während Sam eiligst auf sein Zimmer ging. In seinem Notizblock fand er den gesuchten Eintrag. Ja, das Datum war dasselbe. Der 10. 1 0. 1995 . Mit Sicherheit war das kein Zufall. Was das zu bedeuten hatte, würde er hoffentlich in ein paar Stunden erfahren.

45
    SPIELBERG
    Am Nachmittag erreichte Sam das Kloster in Spielberg. Es dämmerte bereits, und am Eingang leuchtete eine kleine gusseiserne Lampe. Eine Glocke hing links über der Tür, und als Sam keinen Klingelknopf finden konnte, zog er an der Glocke. Ihr Läuten durchbrach die friedhofsähnliche Stille. Ein kleines Fenster in der Tür öffnete sich, und ein Paar dunkler Augen unter einer weißen Haube linste hindurch.
    Â»Ich hatte heute Mittag angerufen, wegen des Brandes im Jahr 1995.«
    Wortlos wurde das Fensterchen wieder geschlossen, ein Riegel beiseitegeschoben, dann stand eine Nonne vor ihm. Hinter ihr sah Sam einen marmornen Gang, von dem mehrere Türen abgingen. Die Schwester ging ihm gerade mal bis zur Brust. Sie war noch jung und wäre vielleicht hübsch gewesen, in normaler Kleidung und ohne die unförmigen weißen Schuhe mit Gummisohle. Sam fragte sich, warum alle meinten, Gott nur mit Biederkeit und Hässlichkeit dienen zu können. Er folgte Gottes Zwerg in ein Büro und setzte sich auf einen alten Holzstuhl vor dem Schreibtisch.
    Â»Schwester Maria kommt gleich«, sagte die Nonne leise und verschwand.
    Wenig später saß er Schwester Maria gegenüber. Ihre Augen wurden von einer braunen Hornbrille stark vergrößert und erinnerten ihn an riesige Kuhaugen. Sam überlegte, ob das ein Zeichen von Kurz- oder Weitsichtigkeit war, kam aber zu keinem Ergebnis. Trotz ihres Alters, Sam schätzte sie auf Mitte sechzig, war ihre Haut glatt und faltenlos.
    Â»Wie kann ich Ihnen heute helfen, Herr O’Connor?«, fragte sie sanft.
    Â»1995 gab es einen Brand in Ihrem Kloster, bei dem eineder Schwestern umkam. Können Sie mir mehr darüber erzählen?«
    Die Schwester nahm ihre Brille ab und rieb sich den Nasenrücken. Ihre Augen hatten jetzt Normalgröße, wie Sam beruhigt feststellte.
    Â»Es war eine furchtbare Nacht. Wir wurden durch den Rauch wach, der uns die Sicht und den Atem nahm. Ich weiß es noch, als

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