Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
Vom Netzwerk:
Auf einem war die Frau von hinten abgebildet.
    Â»Was ist das hier?« Er zeigte auf rote Punkte, die ihren ganzen Rücken, ihr Gesäß und die Beine bedeckten. »Hatte sie einen Ausschlag?«
    Â»Nein, das waren Blutgerinnsel. Woher sie stammten, konnten wir nicht feststellen. Es sah aus, als hätte sie auf einem Nadelkissen gelegen.«
    Â»Die Punkte stammen von Nadeln?«
    Â»Nun, das ist nur eine Vermutung, Herr O’Connor.«
    Nadeln, das klang nach Folter – und nach einer Spur.
    Â»Könnte sie gefoltert worden sein?«
    Doktor Willfurth zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht. Alles ist möglich.«
    Â»Was können Sie mir noch über die Frau sagen?«
    Â»Sie hatte eine Schwangerschaft hinter sich, und zwar vor nicht allzu langer Zeit. Allerdings glaube ich nicht, dass sie das Kind ganz ausgetragen hat.«
    Â»Wie meinen Sie das?«
    Â»Nun, vielleicht eine Frühgeburt, vielleicht eine verspätete Abtreibung. Allerdings muss der Fötus schon eine gewisse Größe gehabt haben. Ich schätze, fünfter, sechster Monat.«
    Sam sah den Arzt an, und sein Magen begann zu kribbeln. Eine Frühgeburt war ja keine Sünde. Eine ungewollte Schwangerschaft, die die Frau versucht hat, heimlich abzubrechen, dagegen schon. Sam strich sich mit beiden Händen die Haare zurück und dachte angestrengt nach. Wie konnte dieser Fall mit den anderen in Verbindung stehen? Die äußeren Merkmale deuteten auf ein und denselben Täter, und doch stimmte der Rest nicht. Der Mörder hatte immer kurzen Prozess mit seinen Opfern gemacht und sie nicht als Gefangene über einen längeren Zeitraum gehalten. Der Mörder musste demnach ein persönliches Verhältnis zum Opfer gehabt haben. War sie seine Frau, seine Freundin oder vielleicht seine Schwester? Jedenfalls stand fest, dass sie ihm entkommen war. Die Frage war, wie die einzig Überlebende Sam wieder zu ihrem Folterknecht führen konnte.

52
    Lina erwachte von ihrem eigenen Stöhnen. Sie lag immer noch auf dem Bauch, ihr Rücken tat ihr langsam weh, und sie wünschte sich nichts mehr, als den Rücken durchzustrecken. Immer noch war es so dunkel, dass sie nur schemenhafte Umrisse wahrnehmen konnte. Der Stuhl stand noch an der gleichen Stelle. Aber da war noch etwas, etwas, das vorher nicht da gewesen war. Sie spürte die Präsenz eines Menschen im Raum. Ein Blick, der sich förmlich in sie hineinbohrte, sie nicht losließ. Sie versuchte sich so weit umzudrehen, wie es ihre Fußfesseln zuließen. Und tatsächlich: Direkt am Fußende stand jemand und sah auf sie herunter.
    Sie wand sich und gab durch das Klebeband dumpfe Laute von sich. Die Gestalt kam auf sie zu, hielt ihren Kopf fest und riss das Band mit einem Ruck von ihrem Mund, sodass ihre Lippenheftig brannten. Doch der Schmerz ließ schnell nach, und endlich konnte sie wieder richtig atmen. Eine Hand streichelte ihr über den Kopf, ihre Wange, ihre Schultern, ihren Rücken, dann hörte sie ihn flüstern: »Ich liebe dich.«
    Lina bekam eine Gänsehaut. Ihr war plötzlich klar, dass es kein Zufall war, dass sie hier war und keine andere Frau. Er liebte sie. Er kannte sie also. Und sie kannte vielleicht auch ihn. Bilder von Männern gingen ihr durch den Kopf. Er war vielleicht ein Gast aus dem Restaurant ihrer Mutter oder ein Patient. Vielleicht jemand, der ihr gar nicht aufgefallen war. Oder Doktor Ritter? An ihn hatte sie schon einmal gedacht, doch sie verwarf den Gedanken. Das war nicht seine Stimme, diese hier klang eher wie die von … Nein, das konnte nicht sein. Sie hob den Kopf, um die Größe des Mannes abzuschätzen. Schwer zu sagen, denn er hockte neben dem Bett und lockerte gerade ihre Fesseln an den Beinen. Nun konnte sie sich endlich auf den Rücken legen. Er streichelte ihr über den Bauch und stand dann auf, ohne ein Wort zu sagen. Er war groß, mehr konnte sie in der Dunkelheit nicht erkennen, aber sie war sich jetzt fast sicher, dass er es war. Vor Erleichterung begann sie zu weinen. Er würde ihr nichts tun.
    Â»Warum hast du nicht gesagt, dass du mich liebst? Hast du nicht gemerkt, dass ich die ganzen Jahre über auch in dich verliebt war?«
    Der Mann schüttelte leicht den Kopf und ging dann zur Tür.
    Â»Bitte geh nicht. Bleib bei mir.«
    Aber er ging und schloss die Tür hinter sich. Dann hörte sie, wie ein Riegel vorgeschoben

Weitere Kostenlose Bücher