Gottesopfer (epub)
fünf Minuten, verschonte ihre Haare mit langen Föhnaktionen und lieà sie â auch im Winter â an der Luft trocknen, zog sich in zwei Minuten an, räumte ihre Wohnung schnell auf, damit sie nach Feierabend relaxen konnte, und ging ohne Frühstück aus dem Haus. Insgesamt eine Sache von einer halben Stunde. Der Traum eines jeden Mannes, wie ihre Mutter zu sagen pflegte.
Die Praxis des Hypnosetherapeuten Doktor Ritter befand sich in der Innenstadt in einem modernen Glasgebäude. Der Weg dorthin war fast der gleiche wie zu Doktor Herrmann, nur dass sie, wenn sie aus der U-Bahn-Station kam, in die andere Richtung gehen musste, vorbei an Montblanc, einem Strumpfgeschäft, an Armani und diversen anderen Geschäften, die sie nicht sonderlich interessierten.
Lina hatte ihre neue Arbeit über eine Anzeige im Hamburger Abendblatt gefunden. Der Therapeut war gleich nach einem kurzen Gespräch von ihr angetan gewesen und hatte sie eingestellt, ohne weitere Referenzen sehen zu wollen. Das, was Doktor Ritter ihr von seiner täglichen Arbeit erzählt hatte, klang sehr vielversprechend. Vielleicht fand sie hier sogar Antworten auf Fragen nach dem Sinn des Lebens, dem Tod und der Seelenwanderung? Auf jeden Fall aber würde der neue Job eine Erweiterung ihres Horizonts, ihrer Sicht- und Denkweise sein. Sie war für alles offen und lernbereit.
Doktor Ritter war Mitte dreiÃig, ein schlanker groÃer Mann mit mittelblondem Haar und wachen blaugrauen Augen. Auf den ersten Blick sah er sympathisch aus, auf den zweiten eher unnahbar. Nur für seine Patienten schlüpfte er für einen Moment aus seiner Gedankenwelt und bemühte sich, offen und freundlichzu erscheinen. Wenn er allein war, vergrub er sich in sich selbst, schrieb, las und vermied jedes Telefongespräch. Schon bei ihrer ersten Begegnung hatte Lina gespürt, dass ihr neuer Arbeitgeber eigen war. Sie nahm sich aber vor, dies mit einem Lächeln zu übergehen.
Das Therapiezimmer war mit einem flauschigen hellblauen Teppich ausgelegt, an den Wänden standen dunkle maÃgefertigte Holzregale voller Bücher, und hinter dem Schreibtisch, der aus dem gleichen Holz war, hingen diverse Zertifikate über Hypnoseseminare und ein Diplom in Psychologie, die keinen Zweifel an Doktor Ritters Qualifikation aufkommen lieÃen. Ein schwarzes modernes Ledersofa mit StahlfüÃen stand quer im Raum und daneben ein schwarzer Ledersessel, der sich per Fernbedienung in eine liegende Position fahren lieÃ.
Frauen hatten aus Angst, vergewaltigt zu werden, oft Bedenken, sich in Hypnose versetzen zu lassen. Daher hatte Doktor Ritter sich entschlossen, Lina als Assistentin einzustellen. Sie sollte die Sitzungen gut hörbar aufzeichnen, Akten für die Patienten anlegen und sie mit Getränken versorgen. Hinzu kam die Terminplanung, da Doktor Ritter keine weitere Sprechstundenhilfe wollte.
Nach einer schnellen Einführung in Linas zukünftige Arbeit saà auch schon der erste Patient auf dem Sofa. Peter Lohmann war etwa fünfzig, und er war nicht das erste Mal zu einer Therapiesitzung in der Praxis. Er entledigte sich seiner Schuhe, schob sie unter das Sofa und machte es sich liegend darauf bequem. Lina stellte zwei Wassergläser auf den Beistelltisch, der zwischen Sofa und Ledersessel stand, und setzte sich leise hinter den Schreibtisch. Sie legte eine Kassette in den Rekorder und drückte auf Aufnahme.
Doktor Ritter setzte sich mit einem Notizblock auf dem Schoà in seinen Ledersessel, schlug die Beine übereinander, schraubte die Kappe seines schwarzen Montblanc-Füllers ab und notierte sich etwas auf seinem Block, während er seinen Patienten fragte: »Wie geht es Ihnen heute, Herr Lohmann?« Lohmann blickteihn aus kleinen, knopfähnlichen Augen an. »Sehr gut, Herr Doktor. Sehr gut.«
»Das freut mich. Wenn Sie entspannt liegen, schlieÃen Sie bitte die Augen.«
Lohmann rückte seinen Körper noch einmal in eine bequemere Lage und schloss dann die Augen.
»Atmen Sie langsam tief ein und wieder aus.« Eine kurze Pause entstand, dann fuhr Doktor Ritter fort: »Jetzt atmen Sie tief ein, füllen die Lungen mit Sauerstoff und halten die Luft an. Zählen Sie bis eins, und atmen Sie langsam wieder aus. Atmen Sie tief ein, füllen Sie die Lungen mit Sauerstoff. Halten Sie die Luft an. Zählen Sie bis zwei, und atmen Sie langsam wieder aus. Atmen Sie tief ein,
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