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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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Anblick der verstümmelten Toten ertragen zu müssen.
    Â»Ist das Ihre erste Leiche?«
    Â»Die erste in dieser Form.«
    Â»Hm, zu Ihrer Beruhigung, Reuter, man gewöhnt sich nie an solche Anblicke. Haben Sie die Flecken da gesehen?«
    Sam zeigte mit seinem behandschuhten Finger auf zwei Abdrücke auf dem Brustkorb der Frau, die der sinkende Wasserstand nun freigab. Reuter näherte sich zögerlich der Leiche.
    Plötzlich hatte Sam genug von dem überforderten Beamten. »Wo ist der Gerichtsmediziner?«, fragte er leicht gereizt, als hinter ihm eine helle Stimme ertönte.
    Â»Schon zur Stelle.«

    Sam drehte sich um und stand einer Matrone von Frau gegenüber, die die Zwillingsschwester des Opfers hätte sein können. In ihren fleischigen Fingern hielt sie einen schwarzen Koffer, den sie jetzt absetzte, um näher an die Leiche heranzutreten.
    Â»Können Sie mir erklären, woher diese Flecken stammen?«
    Â»Ich würde sagen, sieht nach Elektrodenabdrücken aus, verursacht von einem Defibrillator.«
    Â»Danke.« Sam hatte genug gesehen. »Gibt es Zeugen? Hat jemand etwas gesehen oder gehört?«, wandte er sich wieder an Reuter, der wie eine Gipsfigur neben ihm stand und nun zum Leben erwachte.
    Â»Es gibt nur sechs Parteien im Haus. Die Paare aus dem ersten Stock sind seit einer Woche gemeinsam im Urlaub. Der Herr, der neben Frau Eschberger wohnt, war die ganze Nacht bei seiner Freundin und kam erst vor einer Stunde nach Hause. Und die oben werden gerade befragt. Außerdem werden die Anwohner aus den Nachbarhäusern und die Angestellten aus den anliegenden Geschäften verhört, ob sie irgendetwas Auffälliges gesehen haben.«
    Â»Wo wohnt der Hausmeister?« Sam hatte das Badezimmer inzwischen verlassen und war zur Wohnungstür gegangen. Nun stand er schon halb im lindgrünen Treppenhaus. Er musste seine Gedanken sammeln, die wie kleine Papierschnipsel in einer Windböe umherwirbelten, und dafür wollte er allein sein.
    Â»Ein Haus weiter, Parterre unten links. Meinen Sie nicht, es wäre besser, wenn ich …« Weiter kam der Österreicher nicht, denn Sam war bereits, immer zwei Stufen auf einmal nehmend, die Treppe hinuntergeeilt. Unten trat er auf eine kopfsteingepflasterte Straße.
    Die Straße war belebt. Touristen standen vor großen Schaufenstern, ein Fiaker kutschierte eine Familie durch die Gasse, und eine Gruppe Japaner bewunderte den Blick durch die Häuser auf die Festung Hohensalzburg. Ein Paar stritt sich in einem Hauseingang und versuchte zwar, möglichst unauffällig zu bleiben, zog aber die Blicke aller Passanten auf sich, als der Mann »Dubleede Gans!« brüllte und die Frau anfing, mit ihrer Louis-Vuitton-Tasche nach ihm zu schlagen.
    Sam ging zum nächsten Hauseingang und stieß die angelehnte Tür auf. Der erste Blick fiel auf die rissigen, mit Schimmelflecken bedeckten Wände, der zweite auf eine Reihe alter Briefkästen. Die frische kalte Luft draußen hatte ihm gutgetan, hier drinnen schlugen ihm jetzt Moder und der Geruch nach altem Mann entgegen.
    Die Wohnung des Hausmeisters war nicht schwer zu finden, denn im Parterre gab es nur eine einzige. Da die Klingel keinen Ton von sich gab, klopfte Sam mit der Faust gegen die Tür. Ein kleiner stämmiger Mann mit Halbglatze und in einem blauen Arbeitsoverall öffnete so schnell, als hätte er bereits dahinter gewartet.
    Â»Na endlich. Sie sind doch von der Gendarmerie?«
    Sam nickte, und der Mann ließ ihn ein, ohne weitere Fragen zu stellen.
    Kalter Zigarettenrauch schlug Sam entgegen. Die Wohnung war dunkel und erinnerte an eine Höhle. Der Flur maß an die zwei Quadratmeter, wirkte jedoch noch kleiner durch die dunkel gemusterte Tapete im Stil der Siebzigerjahre. Auf dem Boden lag ein alter ausgeblichener Perserteppich, darüber ein weiterer Teppich, der wie ein Läufer in ein etwa zehn Quadratmeter großes Zimmer führte. Auch hier lagen diverse Teppiche übereinander. Der Hausmeister folgte Sams Blick auf die Teppiche und sagte: »Wegen der Feuchtigkeit, wissen’S.«
    In der Ecke neben dem Fenster stand ein Fernseher mit einer altmodischen Antenne, und auf dem kleinen Cordsofa an der gegenüberliegenden Wand lag ein üppiges Rubens-Modell mittleren Alters. Sam fragte sich, ob es überhaupt schlanke Salzburgerinnen gab. Die Frau auf dem Sofa war gut gekleidet, mit Goldschmuck

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