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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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weißen Sprossenfenstern. Argaults Frau Claudette hatte das Anwesen vor zehn Jahren samt einem beachtlichen Vermögen von ihrem Großvater geerbt. Und wie jedes Mal hatte Sam das Gefühl, eher einen Präsidenten als einen einfachen Polizisten zu besuchen.
    Er drückte auf den Klingelknopf, und nach einer Weile öffnetesich das große Tor automatisch. Er fuhr die sandige Auffahrt hinauf, die von gepflegten Rasenflächen und Blumenbeeten gesäumt wurde, aus denen zurzeit jedoch nur nackte Stängel ragten. Sam vermutete, dass dies Argaults geliebte Rosensträucher waren, musste sich jedoch eingestehen, dass er gerade mal eine Osterglocke von einem Tannenbaum unterscheiden konnte. Er stellte seinen Wagen direkt neben einer dunkelblauen Mercedes-Limousine ab und stieg aus. Ein Dienstmädchen in klassischer schwarzer Uniform und weißer Schürze stand vor der massiven Eingangstür. Sie erkannte und begrüßte ihn mit einem stummen Nicken, dann führte sie ihn durch die holzgetäfelte Eingangshalle und das Wohnzimmer bis auf die Terrasse. Dort saß Argault in eine warme Wolldecke gewickelt in einem Stuhl und blickte auf den Genfer See.
    Â»Ich hoffe, ich komme nicht ungelegen, Phillippe. Eigentlich habe ich an deinem Geburtstag ein bisschen mehr Action erwartet. Die Party vom letzten Jahr werde ich niemals …« Sam verstummte, als er das eingefallene Gesicht seines Freundes bemerkte.
    Â»Ich hätte es dir noch gesagt …«, meinte Argault schuldbewusst.
    Â»Wann?«, fragte Sam wütend. Eigentlich ärgerte er sich vor allem über sich selbst. Er hätte nur eins und eins zusammenzählen müssen. Argault liebte seinen Beruf und wäre niemals früher in Rente gegangen, wenn es nicht einen triftigen Grund dafür gegeben hätte.
    Â»Jetzt sei nicht wütend. Komm, setz dich zu mir und genieße diesen herrlichen Blick.«
    Sam reichte seinem Freund das Geschenk, das er bereits in Rom am Flughafen gekauft hatte, und zog einen Stuhl dicht an einen eine angenehme Wärme verbreitenden Gasofen heran. Die Hände tief in den Manteltaschen vergraben, ließ er sich auf der eiskalten Sitzfläche nieder und sah zu, wie Argault das Geschenk auswickelte.
    Es waren die Originalaufnahmen von Pavarottis letztemKonzert, bevor er an Krebs gestorben war. Was für ein passendes Geschenk, dachte Sam etwas beschämt.
    Â»Das ist ja großartig, Sam. Vielen Dank. Bernadette …«, hinter ihnen war das Dienstmädchen erschienen, »… sei so lieb, mach uns ein bisschen Musik und bring uns Kaffee und ein wenig Gebäck.«
    Das Dienstmädchen nahm die CD entgegen und verschwand wieder im Haus.
    Â»Wo ist Claudette?«, fragte Sam.
    Â»Sie ist nach Lausanne gefahren, sie muss mal wieder an einem dieser traditionsreichen Events teilnehmen. Ihre großartige Familie hat eine Uhr auf den Markt gebracht, die gegen die Zeit läuft«, sagte Argault mit nicht überhörbarem Sarkasmus in der Stimme. »Aber erzähl mir von deinem neuesten Fall. Du weißt doch, wie neugierig ich bin.«
    Sam wusste, dass Argault, obwohl seit etwa dreißig Jahren mit seiner Frau verheiratet, immer noch ein Dorn im Auge ihrer Familie war. Anfangs hatte er versucht, sich dem Schweizer Adel anzupassen, um davon abzulenken, was er eigentlich war: ein einfacher Polizist, der jeden Tag die Scheußlichkeiten sah, die andere Menschen anrichteten, und der nicht wie die Juweliersfamilie seiner Frau mit Diamanten und Edelsteinen sein Geld verdiente. Der Einzige, der Claudette verstanden hatte, war ihr Großvater gewesen, der seinerzeit selbst eine nichtadelige Frau geheiratet hatte.
    Â»Was soll ich sagen? Da ist mal wieder ein verdammter Freak am Werk.« Er sah Argault von der Seite an. Aus dem Wohnzimmer drangen jetzt die leisen Klänge von Pavarottis Gesang. »Das Ganze ist noch etwas undurchsichtig.«
    Argault hatte die Decke zur Seite gelegt, war, sich etwas unsicher auf den Beinen haltend, aufgestanden und begutachtete nun seine Blumentöpfe, die auf der Balustrade standen und aus denen ebenfalls nur nackte Stängel ragten.
    Â»Es ist wie ein Wunder, wenn die schlafenden Augen der Rosen im Frühjahr erwachen. Die Krankheit hat mir nicht nur viel Zeitzum Nachdenken geschenkt, sondern auch den Blick für Dinge geöffnet, die ich immer für selbstverständlich gehalten habe. Wie zum Beispiel die Rosen aufblühen und

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