Gottesopfer (epub)
Schule, doch er gab gehorsam die Antwort: »Leute, die angeschlagen sind, die ein schwaches Immunsystem haben.«
»Und ähnlich verhält es sich auch beim Geisterbeschwören. Willensschwache Menschen, kranke Menschen oder Menschen,die Drogen nehmen, werden schnell Opfer von bösen Geistern, die dann ihre Seele in Besitz nehmen. Sie stürzen sie in tiefe seelische Krisen, die zu schweren Psychosen und Angstzuständen führen können.«
Sam drückte den Rücken durch und fuhr sich mit beiden Händen durch die Haare, dann atmete er tief ein. War das auch mit Lily geschehen? Hatte sie vielleicht heimlich spiritistischen Sitzungen beigewohnt? So ein Schwachsinn, schalt er sich selbst, jetzt fängst du auch noch an, diesen Humbug zu glauben. Entschlossen stand er auf und stützte die Hände auf den Tisch. »Ich denke, das warâs erst einmal, Pater.«
Der Pfarrer nickte erleichtert, kramte einen kleinen Zettel aus seiner Tasche und legte ihn auf den Tisch. Sam konnte darauf den Namen Ingelheim und eine Telefonnummer erkennen. Die Nummer, die er eigentlich gestern schon abholen wollte und es vergessen hatte. Dann stand Pater Dominik langsam auf und ging zur Tür, an der Juri immer noch wie eine Bulldogge stand.
Dort blieb er stehen und drehte sich zu Sam. »Eines geht mir immer wieder durch den Kopf. Dieser Brief. Ich habe keine Einladung für eine Anhörung bekommen.«
»Ja, das ist in der Tat seltsam«, meinte Sam und setzte hinzu: »Ach Pater, es versteht sich wohl von selbst, dass Sie die Stadt nicht verlassen und uns jederzeit für weitere Fragen zur Verfügung stehen.«
Der Pfarrer nickte resigniert, bevor er sich umdrehte und den Raum verlieÃ. Juri und Sam sahen ihm nach, wie er mit seiner schwarzen Soutane und in gebeugter Haltung wie ein Schatten den schlecht beleuchteten Gang entlangging.
»Ein Priester als Geisterbeschwörer. Danach würde sich die Presse die Finger lecken, vor allem weil es so gut zu Skandalen um pädophile Priester passt«, sagte Juri nachdenklich.
»Bisher gab es nur einen kleinen Artikel über die Fälle in einer bayerischen Zeitung. Vom Pater war da aber nicht die Rede. Solange kein weiterer Mord passiert, ermitteln wir weiter wie bisher und lassen nichts nach auÃen dringen.«
»Glaubst du, dass er der Mörder ist, Sam?« Sie duzten sich inzwischen.
»Was hast du denn für einen Eindruck?«
»Er hat ein Motiv, zumindest bei dem Opfer in Amsterdam. Er war zu allen Zeitpunkten der Morde in den jeweiligen Städten. Und er hat kein Alibi. Eigentlich spricht alles gegen ihn.«
Sam strich sich wieder nachdenklich über sein Kinn und drehte sich langsam zur Tafel, als könnten ihm die Opfer eine Antwort geben.
»Bis auf mein Gefühl. Mich macht der 16. August stutzig. Nehmen wir mal an, Pater Dominik hat geplant, an diesem Tag nach Amsterdam zu fahren. So stand es zumindest in seinem Kalender. Er wird tatsächlich krank und verreist nicht. Aber der Mörder denkt, er fährt. Nachdem er die erste Spur mit dem Brief gelegt hat, bringt er eine Woche später Catharina Kil um, weil er ja denkt, Pater Dominik wäre auch in der Stadt.«
Juri war inzwischen neben Sam vor die Tafel getreten, die Hände tief in den Hosentaschen vergraben und die Augen konzentriert zusammengekniffen. Sam sah seinen Partner an und stellte fest, dass er sich mit dem jungen Burschen wohlfühlte. Juri war aufmerksam und auf eine angenehme Art zurückhaltend. Das gefiel ihm.
»Aber wie kommt er, also der Mörder, nach Amsterdam?«
»Das erste Mal folgt er dem Pfarrer auf Schritt und Tritt, fährt wie er mit dem Zug und mietet sich vielleicht vor Ort ein Auto. Beim zweiten Mal fährt er mit einem eigenen Wagen, deshalb merkt er nicht, dass der Pater überhaupt nicht nach Amsterdam abgereist ist. Gut, oder?« Sam grinste über seinen genialen Gedankengang.
»Ja, klingt irgendwie logisch â¦Â«, sagte Juri zögernd.
»Du willst doch nicht meine Logik anzweifeln, Juri?«, fragte Sam mahnend und lachte. Dann sah er wieder auf die Tafel. »Die Frage ist nur, wie und wann sucht er sich seine Opfer aus. Beim Fall in Salzburg wissen wir jetzt, dass das Opfer bei der Sitzung anwesend war. Vielleicht ist er ihr danach von dort gefolgt und hat sie in ihrer Wohnung überrascht. Oder sie hat ihn reingelassen, weil sie dachte, es sei ein Kunde, und zack, das
Weitere Kostenlose Bücher