Gottesopfer (epub)
warâs.«
»Dann hätte er aber einen Termin gehabt, oder nicht?«, warf Juri ein.
»Stimmt. Wenn er ein Kunde war, muss er einen Termin ausgemacht haben. Frau Hochmut sagte, dass sie eigentlich mit ihrer Freundin zum Essen verabredet gewesen wäre, Birgit Eschberger aber kurzfristig abgesagt hätte. Das heiÃt, der Termin wurde spontan vereinbart, und das wiederum bedeutet, dass der Täter vielleicht auch bei der Sitzung war und Frau Eschberger davor angesprochen hat. Und wenn das der Fall warâ¦Â« Sam schlug mit der flachen Hand auf den Tisch. »â¦Â Dann hat ihn Frau Hochmut eventuell gesehen.« Sam blätterte in seinem Notizblock nach Anneliese Hochmuts Nummer. Doch er erreichte die Salzburgerin nicht persönlich, hinterlieà deshalb seinen Namen und seine Nummer auf dem Anrufbeantworter und bat um einen Rückruf.
26
»Gehen Sie schon mal in Behandlungsraum zwei, Frau Yelen.« Lina sah der verschleierten Frau nach und rieb sich die Schläfen. Heute war kein guter Tag: Sie hatte nicht nur Kopfschmerzen, sondern auch, wie so oft, eine Blasenentzündung. Es war erst drei Uhr nachmittags, dennoch brannte überall in der Praxis Licht, weil es drauÃen schon fast dunkel war.
Cecilia rauschte heran. »Lina, druck mir mal die letzte Woche aus. Ich muss die Rechnungen schreiben.« Wieder kein »bitte«, dachte Lina, druckte die gewünschten Daten aus und legte sie anschlieÃend auf den Tresen. Cecilia verdrehte zickig die Augen und zog, mit ihrem Rosshintern von rechts nach links wackelnd, von dannen.
Ein Moment Ruhe. Lina biss in ihr Sandwich, das sie seit zwei Stunden zu essen versuchte, als plötzlich Herr Lange vor ihrstand. »Oh, hm â¦Â Entschuldigen Sie â¦Â Herr Lange, haben Sie heute überhaupt einen Termin?«, fragte Lina kauend.
»Ja, ich glaube schon.« Er linste über den Tresen, um einen Blick in den Terminkalender zu werfen.
Lina ging die lange Namensliste mit dem Finger durch und nickte. »Tatsächlich. Dann nehmen Sie doch bitte einen Moment im Wartezimmer Platz.« Sie holte seine Patientenakte aus der Schublade.
»Meinen Sie, Sie schaffen das heute mit der Spritze?«
»Ich versuche es noch einmal.« Herr Lange setzte sich ins Wartezimmer und griff nach einer Zeitschrift. Er warf Lina noch einen kurzen Blick zu und begann zu lesen. Lina sah in seine Akte: Konstantin Lange, dreiÃig Jahre alt, ledig. Ob er wohl eine Freundin hatte? Lina war von Natur aus neugierig, manchmal zu neugierig. Sie biss abermals in ihr Sandwich und überlegte, ob sie auch einmal eine Rückführung bei Doktor Ritter machen sollte. Zu gerne hätte sie gewusst, was sie in ihrem früheren Leben gewesen war und welche Personen von damals auch heute eine Rolle in ihrem Leben spielten. Ob sie wohl auch Sam aus einem früheren Leben kannte?
Sie hatte ihn, seitdem sie sich im Restaurant ihrer Mutter gesehen hatten, nicht mehr getroffen. Aber sie hatte von ihm geträumt â letzte Nacht. Sie stand in der Dusche und wusch sich die Haare, als sie plötzlich spürte, dass jemand hinter ihr stand. Sie drehte sich um, und da stand Sam, zumindest glaubte sie, dass er es war. Sein Gesicht war nur schemenhaft zu erkennen. Er war nackt, betrachtete sie und trat dann, ohne ein Wort zu sagen, auf sie zu. Er drehte sie um, schmiegte sich an ihren Rücken und begann sie zu streicheln. Ein zartes Streicheln, alleine die Vorstellung lieà ihr eine Gänsehaut über den Rücken laufen. Sie konnte seine Hände immer noch auf ihrer Haut fühlen.
Ein schrilles Telefonklingeln riss sie aus ihren Gedanken. Lina hob ab und sah dabei auf die Uhr am Computer. Zwei Stunden noch, dann konnte sie endlich nach Hause gehen. Besser gesagt,in die Kirche. Denn sie wollte heute ein persönliches Gespräch mit Pater Dominik führen.
Als Lina die Kirche betrat, hielt der Pfarrer gerade die Abendmesse. Bevor sie sich setzte, ging sie an das Becken mit dem Weihwasser, benetzte ihre Finger und bekreuzigte sich. »Lieber Gott, wasche mich rein von meinen Sünden und Fehlern. Ich bitte um Verzeihung.«
Pater Dominik stand vor dem Ambo und las aus dem Lektionar, dem liturgischen Buch. Er sah kurz auf, als Lina sich hinsetzte und ihm zulächelte. Sie konnte der Messe heute nicht richtig folgen und überlegte die ganze Zeit, wie sie Pater Dominik ihr Problem schildern sollte. Sie hatte mit ihrer
Weitere Kostenlose Bücher