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Gottesopfer (epub)

Titel: Gottesopfer (epub) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Pleva
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301  … ich glaube, er hat einen Infarkt.«
    Schwester Augustina lief hinaus auf den Flur und ließ Lukas allein zurück. Er hörte noch, wie Schwester Johanna weinerlich sagte: »Ich habe den Katheter gezogen, und dann ist es passiert.« Dann verhallten die eiligen Schritte der beiden Schwestern auf dem Gang.
    Lukas sah sich in Schwester Augustinas Büro um. Der Raum war genauso spartanisch eingerichtet wie alle anderen Zimmer im Kloster. Ein Schrank, ein Regal und ein Schreibtisch, hinter dem das obligatorische Kreuz hing. Eine sehr schlichte Jesusfigur: Das Kreuz war aus Holz, die Figur aus Porzellan, und der Stoff, den Jesus um die Hüften trug, war blau-golden. Lukas’ Blick wanderte über den Schreibtisch, auf dem eine Bibel und ein paar ungeöffnete Briefe lagen. Von wem die Schwester Oberin wohl Post bekam? Lukas stand auf, drehte sich sicherheitshalber zur Tür um und sah die Briefe durch. Der oberste war vom Bischofsamt, darunter lagen Briefe an Patienten, doch einer davon erregte seine Aufmerksamkeit. Der Absender war eine Elisabeth Patt. Patt? Lukas kannte den Namen, wusste aber nicht, woher. Plötzlich hörte er Schritte. Sollte er den Brief einstecken oder ihn wieder zurück zu den anderen legen? EineSchwester erschien in der Tür und sagte Lukas, dass sich Schwester Augustina im Hospiz um den Notfall kümmere und sich später mit ihm unterhalten werde. Lukas nickte und ging zu seinem Zimmer, den linken Arm fest an den Körper gepresst. Erst als er die Tür hinter sich geschlossen hatte, entspannte er sich und holte den Brief von Elisabeth Patt hervor.

27
    Den Morgen wollte Sam mit seiner Schwester Lily verbringen. Er hatte ein schlechtes Gewissen, dass er sie in den letzten beiden Tagen so lange allein gelassen hatte, aber er durfte die Ermittlungen nicht vernachlässigen. Seine Arbeit hatte nun mal Priorität, und beim nächsten Gespräch mit Peter Brenner musste er etwas mehr haben als nur einen Verdacht.
    Nach dem Frühstück sah sich Sam in Lilys Zimmer ihre Zeichnungen an. Sie hatte in den letzten beiden Tagen viel gemalt, um sich die Zeit im Hotel zu vertreiben. Sam ging den Block durch und sah ein schwarzes Gesicht nach dem anderen. Schwarze halbe Gesichter, schwarze große Augen, schwarze aufgerissene Münder. Sam war irritiert, und ihm wurde plötzlich heiß und kalt zur gleichen Zeit. Es war kein einziges farbenfrohes Bild dabei. Hatte Lily ihre Medikamente genommen? Bekam sie etwa einen Rückfall? Er ging unter dem Vorwand, sich die Hände waschen zu wollen, in ihr Badezimmer, schloss die Tür hinter sich und durchsuchte vorsichtig ihr Reisenecessaire, bis er eine angebrochene Packung Tabletten fand. Er zählte sie und rechnete nach. Es kam hin, sie schien ihre Medikamente jeden Tag zu nehmen. Er atmete erleichtert aus. Dann wusch er sich die Hände und plätscherte dabei demonstrativ laut mit dem Wasser.
    Als er aus dem Bad kam, fragte Lily ihn: »Sammy, glaubst du, dass es nach dem Tod irgendwie weitergeht?«
    Wieder dieses Thema, dachte Sam. Der Tod, der Lily stets zu beschäftigen schien. Sie konnte stundenlang über Friedhöfe gehen und sich die Grabsteine mit den Geburts- und Todesdaten ansehen. Und sie war fest davon überzeugt, dass es eine Bedeutung hatte, wenn jemand am gleichen Tag starb, an dem er geboren worden war. Sam dagegen machte sich weniger Gedanken über den Tod und glaubte, anders als seine Schwester, nicht an Wiedergeburt oder etwas Ähnliches. Er sagte nüchtern: »Ich glaube, danach ist alles vorbei, Lily. Der Tod ist das Ende.«

    Â»Ich glaube, es ist erst der Anfang, Sammy«, entgegnete Lily müde.
    Seitdem er den Pfarrer verhört hatte, schwirrte Sam eine Frage im Kopf herum, wie eine Fliege, die in einem Glas gefangen war und den Weg nach draußen suchte.
    Â»Lily … ich würde dich gerne etwas fragen.«
    Lily lag zusammengerollt auf dem Bett und hatte die Augen geschlossen. »Hm?«
    Â»Hast du mal bei einer spiritistischen Sitzung mitgemacht, also … mit Geistern gesprochen oder es versucht?«
    Lily öffnete leicht die Augen, sah Sam einen Augenblick an und schloss sie wieder.
    Â»Können wir später darüber reden, Sammy?« Lily war kaum noch zu hören, so leise sprach sie.
    Â»Ja, klar«, erwiderte Sam und bemühte sich, nicht allzu enttäuscht zu klingen.
    Â»Ich bin so müde, ich glaube,

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