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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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revanchieren wissen. Die Hölle soll mich verschlingen, wenn ich   ...«
    »Die Hölle wird dich sowieso verschlingen«, unterbrach diesmal Reynevan ihn. »Wir werden den Eingriff um Mitternacht vornehmen.
     Keine Zeugen, nur du und ich. Ich werde heißes Wasser brauchen, einen silbernen Krug oder Kelch, eine Schüssel mit glühenden
     Kohlen, einen Kupferkessel, Honig, Birken- oder Weidenrinde, frische Haselzweige, etwas, das aus Bernstein gefertigt ist   ...«
    »Das werden sie dir alles bringen«, versicherte Filou, der sich vor Schmerzen immer wieder auf die Lippen biss. »Alles, was
     du willst. Ruf die Leute, erteile deine Befehle, alles, was du brauchst, wird herbeigeschafft. Angeblich braucht man manchmal
     Menschenblut oder Organe für die Nigromantie   ... Gehirn, Leber   ... Zögere nicht zu fordern, was du brauchst. Wenn es nötig ist, dann   ... dann wird   ... einer ausgenommen.«
    »Ich möchte nur zu gern glauben, dass du verrückt geworden bist, Neplach.« Reynevan öffnete die Schatulle mit den Amuletten,
     ein Geschenk von Telesma. »Dass dir der Schmerz den Verstand verwirrt hat. Sag, dass das, was du da faselst, Irrsinn ist.
     Sag es, ich bitte dich sehr darum.«
    |240| »Reynevan?«
    »Was ist?«
    »Ich werde dir das wirklich nicht vergessen. Ich werde dein Schuldner sein. Ich schwöre es, ich werde jeden deiner Wünsche
     erfüllen.«
    »Jeden? Fein!«
     
    Reynevan hatte allen Grund, stolz zu sein. Stolz war er auf seine kluge Vorausschau. Darauf, dass er Doktor Fraundinst so
     lange Löcher in den Bauch gefragt hatte, bis dieser – obwohl zu Anfang nur unwillig – ihm seine medizinischen Geheimnisse
     anvertraut und ihn ein paar medizinische Zaubersprüche gelehrt hatte. Stolz war er auch darauf, dass er so lange über den
     Übersetzungen von Gābirs ›Kit āb Sirr al-Asar‹ und dem ›Kit āb al-h āwī‹ des Rhazes gesessen hatte, bis er Schwielen am Hintern
     bekommen hatte; dass er sich eifrig in das ›Regimen sanitatis ‹ und in ›De morborum cognitione et curatione‹ vertieft und
     dass er den Nieren- und Blasenkrankheiten und dabei besonders den magischen Aspekten der Therapie so viel Aufmerksamkeit gewidmet
     hatte. Stolz war er im Grunde genommen auch darauf, dass er bei Telesma so viel Sympathie erweckt hatte, dass ihm dieser für
     seine Fahrt ein Dutzend äußerst praktische Amulette geschenkt hatte. Am stolzesten aber war Reynevan auf den Erfolg. Die Effektivität
     des magischen Eingriffes hatte seine Erwartungen übertroffen. Filous Nierenstein war durch die Behandlung mit dem Spruch und
     die Aktivierung des Amuletts zerbröselt, ein weiterer, einfacher Spruch, der für gewöhnlich bei Entbindungen zur Entspannung
     angewendet wurde, hatte die Harnwege geöffnet, und kräftige harntreibende Sprüche und Kräuter hatten das Werk vollendet. Der
     aus dem tiefen, durch den
nepenthes
hervorgerufenen Schlaf geweckte Neplach hatte die Reste des Steins mit Eimern voll Urin wieder ausgeschieden. Es hatte zwar
     einen kritischen Moment gegeben, nämlich als Filou plötzlich begonnen hatte, Blut zu pissen, und daraufhin gebrüllt, geflucht |241| und den Medicus mit Schimpfwörtern bedacht hatte, darunter solche wie »verfluchter Hurensohn« und »verdammter meschuggener
     Magier«, bis es Reynevan gelang, ihm zu erklären, dass dies nach einem magischen Eingriff ein ganz normales Symptom war. Während
     er sein mit Blut bespritztes Glied betrachtete, hatte Neplach nach den Wachen gerufen und dem Medicus damit gedroht, ihn auf
     dem Scheiterhaufen zu verbrennen, zu pfählen und auszupeitschen, in dieser Reihenfolge. Dann war er schwächer geworden, und
     da die Erleichterung nach der Kolik ein Übriges tat, schließlich eingeschlafen. Und er verschlief, mit einem Umschlag versehen,
     noch einen halben Tag.
    Es regnete immer noch. Reynevan langweilte sich. Hin und wieder ging er zu den Vorträgen des steinalten Großvaters, der einmal
     der Spion von Kaiser Karl IV. gewesen war. Er besuchte die Schreiber der Himmels- und Apokalypsenbriefe und war gezwungen,
     sich einige anzuhören. Er sah auch in die Scheune, in der die Stentoren übten, eine Spezialabteilung, die sich aus riesigen
     Kerlen mit weithin hallenden Stentorstimmen zusammensetzte. Die Stentoren wurden für die psychologische Kriegsführung geschult:
     Sie sollten die Moral der Verteidiger der belagerten Burgen und Städte untergraben. Sie trainierten weitab vom Hauptlager,
     denn während der Übungen

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