Gottesstreiter
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»Bruder Bielau?«, sagte, Reynevan erlösend, eine Stimme hinter ihm. »Bruder Neplach wünscht Euch dringend zu sehen, er wartet
auf Euch. Gestattet. Ich führe Euch.«
Eines der neu errichteten Häuser war ansehnlich, es erinnerte an einen Landsitz. Im Erdgeschoss gab es mehrere Aufenthaltsräume,
im Stockwerk darüber ein paar eher karg eingerichtete Zimmer. In einem der Zimmer stand eine riesige, keineswegs spartanisch
anmutende Bettstatt. Auf dem Lager, zugedeckt mit einem Federbett, lag Filou und stöhnte.
»Wo treibst du dich denn bloß herum?«, schimpfte er, nachdem er bei Reynevans Anblick wild aufgeheult hatte. »Ich habe nach
dir geschickt, nach Prag, nach Kolín! Aber du ... Ooo ... Ooooooo ... Aaaaaaaaa!«
»Was hast du denn? Ach so, sag lieber nichts. Ich weiß schon.«
»Ach, das weißt du? Das kann nicht sein! Also, was habe ich, woran leide ich?«
»Im Prinzip an Nierensteinen. Und jetzt hast du gerade eine Kolik. Zieh das Hemd hoch und dreh dich um. Tut es hier weh? Hier,
wo ich draufklopfe?«
»Aaaaauuuuaaaua!!! Scheiße!!!«
»Zweifellos eine Nierenkolik«, erwiderte Reynevan. »Außerdem weißt du das selbst am besten. Das ist sicher nicht das erste
Mal, und das Krankheitsbild ist charakteristisch: wiederkehrende Schmerzattacken, die nach unten ausstrahlen, Übelkeit, Druck
auf die Blase ...«
»Hör auf zu salbadern. Fang lieber mit der Behandlung an, verdammter Quacksalber!«
»Du befindest dich unvermutet in ziemlich guter Gesellschaft. Als Jan Hus in Konstanz im Kerker saß, litt er an einer schweren
Nierensteinerkrankung und unter äußerst schmerzhaften Attacken von Nierenkolik.«
|238| »Hach«, Filou deckte sich wieder mit seinem Federbett zu und lächelte mit Leidensmiene, »dann ist das also ein gewisses Zeichen
von Heiligkeit ... Andererseits wundere ich mich gar nicht mehr, dass Hus damals nicht widerrufen hat ... Er hat den Scheiterhaufen diesen Schmerzen vorgezogen ... Jesus, Reynevan, tu endlich was, ich flehe dich an ...«
»Ich bereite gleich etwas zu, das dir den Schmerz lindert. Aber die Steine müssen entfernt werden. Wir brauchen unbedingt
den Bader. Am besten einen Lithotomisten, der sich darauf spezialisiert hat. Ich kenne da in Prag ...«
»Ich will nicht!«, brüllte der Spion, wobei nicht auszumachen war, ob er nun vor Schmerzen oder vor Wut so schrie. »So einer
war schon hier! Weißt du, was der machen wollte? Den Arsch wollte der mir aufschneiden! Verstehst du? Den Arsch aufschneiden!«
»Nicht den Arsch, sondern den Schritt. Das muss aufgeschnitten werden, wie soll man denn sonst an die Steine herankommen?
Durch den Schnitt wird eine lange Zange bis zur Blase eingeführt ...«
»Hör auf!«, heulte Filou und wurde blass. »Sprich nicht davon! Deshalb habe ich dich nicht holen lassen, dir nicht schnelle
Pferde hinterhergeschickt ... Behandle du mich, Reynevan. Mit Magie. Ich weiß, dass du es kannst.«
»Mir scheint, du redest im Fieberwahn. Zauberei ist ein
peccatum mortale.
Der Vierte Prager Artikel besagt, dass Zauberei mit dem Tode bestraft wird. Ich werde dir gleich eine lindernde Medizin zubereiten.
Und
nepenthes
, ein Mittel, das dich betäubt, für später. Das nimmst du ein, wenn der Lithotomist kommt. Dann spürst du fast nichts, wenn
er schneidet. Und das Einführen der Zange hältst du schon irgendwie aus. Du musst nur daran denken, dir einen Holzpflock oder
einen Ledergürtel zwischen die Zähne zu klemmen ...«
»Reynevan«, Filou war kreideweiß geworden, »bitte! Ich werde dich mit Gold überschütten ...«
»Aha! Na klar wirst du mich überschütten. Für kurze Zeit, |239| denn das Gold eines Zauberers, der zum Tod auf dem Scheiterhaufen verurteilt ist, wird konfisziert. Du hast wohl vergessen,
Neplach, dass ich für dich gearbeitet habe. Ich habe viel gesehen. Und viel gelernt. Letztlich ist das Gerede sinnlos. Ich
kann dir die Steine nicht durch Magie entfernen, weil so ein Eingriff erstens riskant ist. Und zweitens bin ich kein Magier
und kenne keine Zaubersprüche ...«
»Du kennst sie«, unterbrach ihn Filou kaltblütig. »Ich weiß sehr wohl, dass du sie kennst. Mach mich gesund, und ich vergesse,
was ich weiß.«
»Erpressung, ja?«
»Nein, nur eine kleine Gefälligkeit. Ich werde in deiner Schuld stehen. Und um diese Schuld abzutragen, bestimmte Dinge einfach
vergessen. Und wenn du mal in Not gerätst, werde ich mich zu
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