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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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diesem Strick baumelte ein Mann. Die Spitzen der eleganten Schnabelschuhe berührten den Boden. Fast.
     Es fehlten etwa zwei Zoll.
    Ohne sich mit einer Begrüßung oder anderen kleinbürgerlichen Sitten aufzuhalten, ja beinahe ohne Reynevan auch nur eines Blickes
     zu würdigen, wies Filou mit dem Finger auf den Gehenkten. Reynevan wusste, worum es ging.
    »Nein   ...«, er schluckte, »das ist er nicht. Eher nicht   ...«
    »Sieh ihn dir genau an.«
    Reynevan hatte ihn sich bereits so genau angesehen, dass er diese Schnur, die in den aufgequollenen Hals schnitt, das zur
     Fratze verzogene Gesicht, die hervorquellenden Augen und die heraushängende schwarze Zunge während seiner nächsten Mahlzeiten
     bestimmt vor Augen haben würde.
    »Nein. Nicht der   ... Außerdem, was weiß ich   ... Ich habe ihn ja nur von hinten gesehen   ...«
    Neplach schnippte mit den Fingern. Die aufmerksamen Knechte in der Stube drehten den Gehenkten mit dem Rücken zu Reynevan.
    |29| »Er saß, und er trug einen Mantel.«
    Neplach schnippte wieder mit den Fingern. Kurz darauf saß der vom Strick geschnittene und mit einem Mantel versehene Leichnam
     zusammengesunken auf einem Stuhl, eine recht makabere Pose im Hinblick auf den
rigor mortis
.
    »Nein.« Reynevan schüttelte den Kopf. »Wohl nicht. Den   ... Hmmm   ... An der Stimme hätte ich den bestimmt erkannt   ...«
    »Tut mir leid.« Filous Stimme war so eisig wie der Wind im Februar. »Aber da kann man nichts machen. Wenn er ein Wort herausbringen
     könnte, hätte ich dich überhaupt nicht gebraucht. Vorwärts, bringt das Rabenaas da weg.«
    Der Befehl wurde blitzschnell ausgeführt. Filous Befehle wurden stets blitzschnell ausgeführt. Bohuchval Neplach, genannt
     Filou, war das Haupt von Spionage und Gegenspionage der Taboriten und unterstand Prokop dem Kahlen direkt. Zu Lebzeiten Žižkas
     war er diesem unmittelbar untergeordnet gewesen.
    »Setz dich, Reynevan.«
    »Ich hab keine Zei   ...«
    »Setz dich, Reynevan.«
    »Wer war der   ...«
    »Der Gehenkte? Das ist doch im Augenblick überhaupt nicht von Bedeutung.«
    »War er ein Verräter? Ein katholischer Spion? Er war schuldig, wenn ich das recht verstehe?«
    »Hä?«
    »Ich frage, ob er schuldig war.«
    »Geht es dir um die Eschatologie? Um die Lehre von den letzten Dingen? Wenn ja, kann ich mich lediglich auf das nicäische
Credo
berufen: Jesus starb, gekreuziget unter Pontius Pilatus, aber er ist auferstanden, und von dannen wird er kommen, zu richten
     die Lebendigen und die Toten. Ein jeglicher wird gerichtet werden, für seine Gedanken und für seine Taten. Und dann wird entschieden,
     wer schuldig ist und wer nicht. |30| Das wird, wenn ich es so ausdrücken darf, am Ende entschieden.«
    Reynevan seufzte und schüttelte den Kopf. Er war selbst schuld. Er kannte Filou. Er hätte nicht fragen dürfen.
    »Es ist also unwichtig«, Filou machte eine Kopfbewegung hin zu dem Balken und dem abgeschnittenen Strick, »wer er war. Wichtig
     ist, dass es ihm noch gelungen ist, sich aufzuhängen, bevor wir seine Tür aufbrechen konnten. Dass ich es nicht geschafft
     habe, ihn zum Reden zu bringen. Und dass du ihn nicht identifizieren konntest. Du behauptest, er ist es nicht. Er ist nicht
     der, den du belauscht hast, der in Schlesien an der Verschwörung mit dem Breslauer Bischof beteiligt war. Richtig?«
    »Richtig.«
    Filou maß ihn mit tückischem Blick. Filous Augen, schwarz wie die eines Marders, die neben der Nase wie die Lauföffnungen
     zweier Hakenbüchsen zu zielen schienen, waren zu äußerst tückischen Blicken fähig. Es kam vor, dass in Filous schwarzen Augen
     zwei kleine goldfarbene Teufelchen aufleuchteten, die plötzlich wie auf Befehl gleichzeitig Kobolz schossen. Reynevan hatte
     dies schon gesehen. Stets kündigten sich dadurch sehr unangenehme Dinge an.
    »Ich denke«, sagte Filou, »dass dies nicht stimmt. Ich denke, dass du lügst. Dass du von Anbeginn an lügst, Reynevan.«
    Wie Filou zu Žižka gekommen war, wusste niemand. Selbstverständlich kursierten Gerüchte darüber. Eines von ihnen besagte,
     Bohuchval Neplach heiße mit richtigem Namen Jehoram ben Jizhak und sei Jude, ein Schüler der Rabbinerschule, den die Hussiten
     während des Blutbads im Ghetto von Komotau im März 1421 zum Zeitvertreib verschont hätten. Einem anderen Gerücht zufolge hieß
     er in Wirklichkeit Gottlob und war Deutscher, ein Kaufmann aus Pilsen. Man hörte aber auch, er sei Mönch gewesen, ein Dominikaner,
     den

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