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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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kann auch ein magischer Geheimgang sein«, meinte Reynevan. »Glaubt Ihr nicht an Magie?«
    »Glauben oder nicht glauben«, Jan Čapek schürzte die Lippen, »es gibt keine Magie. Und wenn es sie zufällig doch gäbe, dann
     wäre sie für gewöhnliche Sterbliche vollkommen unverständlich |273| und nicht durchführbar. Ein einfacher Mann wie ich hätte keinen Nutzen von der Magie. Das heißt, selbst wenn irgendetwas magisch
     sein sollte, dann ist das so, als wäre es gar nicht vorhanden. Klingt doch logisch, oder?«
    »Mehr als logisch.« Scharley lächelte. »Gegen solch eine Logik kann man kaum ankommen. Ihr würdet uns also raten, Hauptmann,
     die Idee zu verwerfen? Nach Hause zurückzukehren?«
    »Genau das würde ich euch raten. Nach Hause zurückzukehren. Und geduldig zu warten. Es heißt, de Bergow sei an dieser Verschwörung
     beteiligt gewesen, er habe am sechsten September in Prag Hynek von Kolštejn unterstützt. Denen, die an der Veschwörung beteiligt
     waren, verzeiht Prokop der Kahle nie. Jetzt belagert er Bořek von Miletínek, dann kommen die anderen an die Reihe. Wir müssen
     nur warten, bis de Bergow dran ist, dann gehört Troskyúns.Mitallem, was sich auf Troský befindet. Euren Zauberer eingeschlossen.«
    »Ein kluger Rat«, meinte der Demerit, ohne den Blick von Reynevan zu wenden, »nicht wahr, Reinmar?«
    »Ihr habt de Bergow einen verfluchten Deutschen genannt«, sagte Reynevan plötzlich. »Andere deutschstämmige Geschlechter gibt
     es in der Umgebung nicht, stimmt’s? Außer den Herren von Dohna auf Falkenberg und Grafenstein?«
    »Nein, es gibt nur die beiden Geschlechter. Warum?«
    »Ach nichts, wenigstens vorerst.«
    »Vorerst gehe ich schlafen.« Čapek stand auf. »Gute Nacht, Brüder.«
    »Auch dir eine gute Nacht, Bruder.«
     
    Das Feuer im Kamin knisterte nicht mehr, es züngelte nur noch leise, blitzte manchmal auf, dann verlosch es wieder. Das Spinnrad
     surrte nicht mehr. Die Alte spann nicht mehr. Sie saß reglos da.
    »Was ist nur mit dieser Burg geschehen«, sagte sie plötzlich. »Dem Erzengel Michael zu Ehren steht sie schon hundertfünfzig |274| Jahre, seit hundertfünfzig Jahren nennen sich die heutigen Markvartice Herren auf Michalovice. Und jetzt   ... Eine solche Bande   ... Gott, o Gott   ... Hier waren Könige zu Gast, ich erinnere mich gut   ... Und heute? Solch eine Schande!«
    »Lüg nicht, Großmutter«, antwortete ihr Scharley, zur Verwunderung des schon ein wenig schläfrigen Reynevan. »Das schickt
     sich nicht, wenn man schon mit einem Bein im Grab steht. Du hast doch noch nie im Leben einen König gesehen, Alte. Vielleicht
     den König Herodes im Krippenspiel.«
    »Selber alt, möge dir die Zunge verdorren. Und ich habe mehr Könige gesehen als du Dukaten.«
    »Wo denn? Da bin ich aber neugierig!«
    »In Wien.«
    »Wo?«
    »In Wien, Dummkopf!« Die Alte richtete sich auf ihrem Schemel auf. »An Ostern im Jahre des Herrn 1353 haben sich die Monarchen
     dieser Welt in Wien versammelt. Kaiser Karl, dem gerade die Frau gestorben war, Anna von der Pfalz, freite um das kleine Ännchen,
     Brudertochter des Schweidnitzer Herzogs Bolko. Oho, damals sind viele Könige und Herren nach Wien gekommen   ...«
    »Und du warst auch dort, Weib, was? Hast du Met oder Wein getrunken?«
    »Was weißt du denn, du Einfaltspinsel! Dummkopf! Ich, ja   ... Hübsch war ich damals   ... Und jung   ... Als Erster hat mich Kaiser Karl selbst erwischt, im Kreuzgang, zur Abendzeit, ans Geländer hat er mich gedrückt, mir mein
     Kleid zerrissen   ... Mit seinem Bart hat er mich am Hals gekitzelt, da hab ich so gelacht, dass er fast aus mir rausgeflutscht ist   ... Da ist er bös geworden, also hab ich ihn in die Hand genommen und dorthin zurückgepackt, wo er hingehörte. Oh, sagt er
     zu mir, du kommst mir gerade recht, du hübsches mährisches Mädel, wenn du willst, geb ich dich einem Ritter zur Ehe   ... Aber wie um alles in der Welt sollt ich denn da schon ans Heiraten denken, wo ringsherum so schöne Mannsbilder waren   ...«
    |275| »Der zweite«, die Alte geriet ins Träumen, »war Ludwig, der König von Ungarn. Ein feuriger Jüngling war das, oh, ein feuriger   ... Dann hat der polnische König ein Auge auf mich geworfen, Kasimir der Große   ... Zu Recht haben sie ihn so genannt, hihihi, zu Recht   ...«
    »Du lügst, Weib.«
    »Ruprecht, der rheinische Pfalzgraf   ... Schon älter und dazu ein Deutscher; von dem waren kein Liebesgeflüster und keine

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