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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Kopf.
    »Die Hussiten wissen, dass er so handelt.« Reynevan lächelte triumphierend. »Sie haben gelernt, dass im Umgang mit ihnen Schwüre
     keinen Wert haben und man ihnen gegenüber das Ehrenwort brechen kann. Deswegen schicken sie einen zufällig Dahergekommenen
     als Boten. Einen Ausländer. Einen Wanderpoeten aus der Champagne, der zufällig hier in der Gegend herumirrt.«
    Čapek erwiderte nichts. Er hob lediglich die Augen viel sagend zum Himmel. Besser gesagt, zur Decke der Burgküche. |278| »Ein Wanderpoet aus der Champagne.« Samson schüttelte den Kopf. »O Reinmar, Reinmar   ... Kannst du wenigstens drei Worte Französisch?«
    »Ich kann sogar mehr als drei. Glaubst du mir nicht?«
    Par montaignes et par valees
    Et par forés longues et lees,
    Par lieus estranges et sauvages
    Si passa maint felons passages
    Et maint perilz et maint destroit   …
    »Einigermaßen fließend«, gab Samson seufzend zu. »Auch der Akzent ist annehmbar, das muss ich zugeben. Auch die Wahl der Stelle
     dieses Romans   ... Na ja, ganz zutreffend und den Umständen entsprechend.«
    »Und wie!«, warf Scharley ein, der eben wieder geräuschlos die Küche betreten hatte. »Besser könnte man gar nicht wählen!
     Man muss dir als Wanderpoeten nur noch einen entsprechenden Champagnernamen verpassen. Einen wirklich passenden und dich trefflich
     charakterisierenden
nom de guerre.
Ich schlage vor, Yvain le Crétin. Wann ziehen wir los?«
    »Ich ziehe los. Allein.«
    »Nein!« Samson schüttelte den Kopf. »Ich ziehe los. Das betrifft mich und nur mich. Ich will nicht, dass sich einer von euch
     um meinetwillen in Gefahr begibt. Es ist höchste Zeit, dass ich die Sache selbst in die Hand nehme. Mal angenommen, Reinmars
     Idee wäre gut, dann könnte man sie auch etwas abändern: Die Hussiten benutzen einen wandernden Idioten dazu, die Lösegeldforderung
     für den jungen Keuschburg zu überbringen. Das scheint mir ein recht guter Plan zu sein, und mein äußeres Erscheinungsbild   ...«
    »Deine äußere Erscheinung kann einem schon die Sprache verschlagen«, unterbrach ihn Scharley, »das ist wahr. Aber das ist
     zu wenig. Diese Aufgabe muss jemand übernehmen, der schon einige Erfahrung im Betrügen, Schwindeln, An-der-Nase-Herumführen |279| und Aufs-Glatteis-Führen hat. Ohne irgendjemandem nahe treten zu wollen, aber von uns dreien gibt es nur einen, der sich auf
     diesem Gebiet als Spezialisten bezeichnen kann.«
    »Es war meine Idee«, erwiderte Reynevan ruhig. »Und ich gebe sie nicht auf. Ich gehe allein, das steht mir zu als Vater des
     Gedankens. Und ich bin sicher, dass ich für dieses Unternehmen am besten geeignet bin.«
    »Das stimmt nicht«, widersprach Scharley. »Du bist am wenigsten dafür geeignet. Dir und nicht uns hat man gesagt, du solltest
     dich vor der ›Großmutter‹ und der ›Jungfrau‹ hüten. Aber du glaubst natürlich nicht an Prophezeiungen. Oder nur dann, wenn
     es dir in den Kram passt.«
    »Ich nehme mir nur ein Beispiel an dir«, fiel ihm Reynevan ins Wort. »Schluss mit dem Gerede. Ich ziehe los. Allein. Ihr bleibt
     hier. Denn wenn   ...«
    »Wir hören. Wenn?«
    »Wenn etwas nicht so glatt geht   ... Wenn ich Pech habe   ... Ich würde mich gerne darauf verlassen können, dass ihr beide in der Nähe seid. Dass ihr mir zu Hilfe kommt und mich aus
     der Bedrängnis befreit.«
    Scharley schwieg lange.
    »Mich quält ein Gedanke«, sagte er dann. »Wenn ich dir, Reinmar de Champagne, jetzt mit einem harten Gegenstand eins über
     den Schädel zöge, dich zusammenschnürte und für einige Zeit in den Keller verfrachtete, würdest du mir irgendwann dafür dankbar
     sein. Und ich weiß eigentlich nicht, warum ich es nicht tue.«
    »Weil du genau weißt, dass ich es dir nicht danken würde.«
     
    Die Umsetzung des Plans ging zügig voran. Der immer noch auf Michalovice weilende Hauptmann Vojta Jelínek, den sie, ohne Einzelheiten
     zu nennen, von dem Unternehmen in Kenntnis gesetzt hatten, bot von sich aus, und zwar recht eifrig, seine Hilfe an. Da er
     sich mit einem kleinen Aufklärungstrupp nach |280| Rojmund begeben wollte, erklärte er sich bereit, einen kleinen Umweg zu machen und Reynevan bis zur Jitschiner Straße zu begleiten,
     wo sich dieser dann ohne Schwierigkeiten Kaufleuten anschließen konnte.
    Sie zogen noch am selben Tag los. Um die Mittagsstunde.
    Gegen Abend erwachte Berengar Tauler, das Bewusstsein wiedererlangend. Er musste sich nicht mehr übergeben, konnte

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