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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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rühmte sich dessen nicht, war eher ein
     Schweiger, aber wenn er einmal den Mund aufmachte, dann ließen seine urtümlichen Kehllaute keinen Zweifel daran: So konnte
     nur ein Bayer die schöne deutsche Sprache verschandeln.
    »Ha!« Liebenthal trieb sein Pferd an. »Mir scheint, wir halten bei diesem Schweidnitzer Hurenhaus. Ich muss in letzter Zeit
     auch oft an einen Weiberschoß denken. Und wenn ich an einen Weiberschoß denke, erwacht der Poet in mir. Kurz und gut: ein
     echter Tannhäuser.«
    »Mir geht es genauso, wenn auch ohne Tannhäuser.«
    »He!« Priedlanz richtete sich plötzlich auf und drehte sich im Sattel um. »Habt ihr das gesehen? Dort?«
    »Was?«
    »Ein Reiter! Von diesem Hügel da hat er uns beobachtet! Von dort oben, hinter den Tannen. Jetzt ist er verschwunden. Er hat
     sich versteckt   ...«
    »Verdammt! Das hat uns gerade noch gefehlt! Hast du seine Farben erkannt?«
    »Er war schwarz gekleidet. Und hatte ein schwarzes Pferd.«
    »Ein schwarzer Reiter!«, lachte Strotschil. »Wieder mal! In letzter Zeit scheint es nichts anderes zu geben als andauernd
     schwarze Reiter, schwarze Erscheinungen und die Todes-
    |366| rotte. Die Todesrotte war hier, die Todesrotte war da, die Todesrotte hat sich gezeigt, die Rotte hat de Bergow hinter der
     Iser überfallen   ... Dass du dich davon anstecken lässt, Priedlanz?«
    »Ich hab ihn gesehen, da soll mich doch gleich der Blitz treffen! Er war da!«
    »Treibt die Pferde an«, befahl Willrich Liebenthal kurz, ohne dabei den Waldrand aus den Augen zu lassen. »Und seid wachsam!«
    Sie gehorchten, ritten schneller, die Hände an den Schwertgriffen. Die Pferde schnaubten.
    Reynevan spürte, wie ihn die Angst in Wellen überrollte.
     
    Die Unruhe teilte sich allen mit. Während sie ritten, beobachteten sie aufmerksam ihre Umgebung. Keiner scherzte mehr, im
     Gegenteil, sie nahmen diesen Zwischenfall sehr ernst. So ernst, dass sie sich in einen Hinterhalt legten. Klug und geschickt.
     In einer der Senken, durch die sie kamen, sprangen Strotschil und Kuhn aus den Sätteln und verbargen sich in den Büschen,
     die Armbrüste schussbereit. Die Übrigen ritten weiter, laut lärmend und herumschwadronierend.
    Der Schlesier und der Bayer warteten fast eine Stunde in ihrem Versteck. Vergebens. Niemand kam, der ihrer Spur folgte. Aber
     auch dann fiel die Spannung nicht von ihnen ab. Sie ritten vorsichtig weiter und sahen immer wieder nach hinten.
    »Wir haben ihn wohl verloren   ...«, seufzte Strotschil.
    »Oder Priedlanz hot sich verschaut«, brachte Kuhn heraus.
    »Weder das eine noch das andere«, knurrte Liebenthal. »Der Lump verfolgt uns, ich hab ihn gerade erst gesehen. Auf der Anhöhe,
     da links. Nicht umdrehen, zum Teufel noch mal!«
    »Das ist ein verdammt gewitzter Kerl.«
    »Er reitet uns nach   ... Was will der?«
    »Weiß der Teufel   ...«
    »Was machen wir?«
    »Nichts. Haltet die Waffen bereit.«
    |367| Sie ritten mit besorgter, finsterer Miene weiter auf der immer wieder durch steile Schluchten führenden Straße am Ufer des
     Wirbel bildenden und rauschenden Bober dahin, unter herbstfarbenen Erlen, Ulmen, Ebereschen und alten, riesigen Eichen. Der
     Anblick war schön und hätte sie eigentlich beruhigen sollen. Er beruhigte sie nicht. Reynevan beobachtete die Ritter aus den
     Augenwinkeln, er sah, wie die Wut in ihnen wuchs. Kuhn, der seine Armbrust musterte, stieß zwischen den Zähnen einen tiefkehligen
     bayerischen Fluch hervor. Priedlanz spuckte aus. Der für gewöhnlich redselige Strotschil schwieg wie ein Grab. Liebenthal
     blieb lange Zeit scheinbar ruhig, aber schließlich hielt auch er es nicht länger aus.
    »Und der hier«, bellte er, Reynevan einen bitterbösen Blick zuwerfend, »der hier, den uns die Hölle geschickt hat, der sitzt
     auf dieser halb toten Schindmähre, dass man nicht einmal etwas schneller vorankommen kann! Seinetwegen kriechen wir wie ein
     paar beschissene Schnecken vor uns hin!«
    Reynevan wandte sich ab, er wollte sich ganz bestimmt nicht provozieren lassen.
    »Du Häretiker!«, stichelte Liebenthal erneut. »Was hast du dir bloß dabei gedacht, vom wahren Glauben abzufallen! Die Gottesmutter
     zu verleugnen! Dich vor dem Teufel Hus zu verneigen! Die Sakramente zu schmähen!«
    »Hör auf, Willrich«, riet ihm Stosch von Priedlanz ruhig, »hör schon auf!«
    Liebenthal schnaufte, aber er gehorchte.
    Reynevan aber, bisher unentschlossen, fasste nun einen Entschluss. Er musste fliehen. Es sah ganz so aus,

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