Gottesstreiter
dich in die Macht von Herrn Johann, weil du etwas beweisen willst. Weil du versuchen willst, ihn davon zu überzeugen,
dass du ein reines Gewissen hast. Was Katharina anbelangt, versteht sich.«
»Ihr versetzt mich in Erstaunen, Herrin.«
»Ich weiß. Ich tue dies auch absichtlich. Kommen wir aber, wie mein Beichtvater zu sagen pflegt, auf das
meritum
der Sache zurück. Auf Herrn Johann wird dein Handeln nicht den |392| geringsten Eindruck machen, das kannst du mir glauben. Ich denke, auf Schloss Stolz erwartet dich eine ziemlich unangenehme
Prozedur. Mit einem eher bedauerlichen Ende. Du hättest fliehen sollen, solange es noch eine Möglichkeit dazu gab.«
»Eine Flucht hätte die Richtigkeit der Anklage nur bestätigt. Sie wäre einem Schuldgeständnis gleichgekommen.«
»Ach! Du bist also unschuldig. Dein Gewissen ist rein?«
»Ihr habt sicher Gerüchte über mich gehört.«
»Sicher«, bestätigte sie. »Viele waren in Umlauf. Über dich. Über deine Taten und Eroberungen. Ich habe sie gehört, ohne es
zu wollen.«
»Ihr wisst, Herrin, wie das mit Gerüchten so ist.« Er räusperte sich. »Aus einer Mücke macht man einen Elefanten ...«
»Ich weiß aber auch, dass es keinen Rauch ohne Feuer gibt. Und nun bitte ich dich, keine weiteren Sprichwörter mehr zu verwenden.«
»Die Verbrechen, derer man mich beschuldigt, habe ich nicht begangen. Ich habe den Steuereinnehmer weder überfallen noch ausgeraubt.
Und ich habe kein geraubtes Geld. Falls Euch das interessiert.«
»Tut es nicht.«
»Was dann?«
»Ich habe es schon gesagt: Katharina von Biberstein. Was sie anbelangt, bist du auch da ohne Schuld? Lastet da keinerlei Schuld
auf deinem Gewissen? Nicht einmal eine kleine?«
»Über dieses Thema möchte ich nicht sprechen.« Er presste die Lippen zusammen.
»Ich weiß sehr wohl, dass du das nicht möchtest. Vor uns liegt Schweidnitz.«
Sie ritten durch das Striegauer Tor in die Stadt hinein und durch das Untere Tor wieder heraus. Während des Rittes durch die
Stadt hatte Reynevan, als er die ihm vertrauten Orte erblickte, einige Male geseufzt, bei der Apotheke »Zum goldenen Lindwurm«
etwa, in der er sein Praktikum absolviert |393| hatte, bei der Schenke »Zum Kreuzfahrer«, in der er einst Schweidnitzer Märzenbier gekostet und sein Glück bei den Schweidnitzerinnen
versucht hatte, bei den Gemüseständen, wo er sein Glück bei den Dorfschönheiten versucht hatte, die in Schweidnitz ihre Waren
verkauften. Sehnsüchtig hatte er zur Krasswitzer Gasse hinübergesehen, wo Justus Schottel, Scharleys Bekannter, Spielkarten
und unflätige Bildchen druckte.
Obwohl ihn seine Erinnerungen gefangen hielten, warf er doch immer wieder heimlich einen Blick auf die zu seiner Rechten reitende
Grüne Dame. Und sooft er hinübersah, so oft quälten ihn Gewissensbisse. Ich liebe Nicoletta, wiederholte er bei sich. Ich
liebe Katharina von Biberstein, die mir einen Sohn geboren hat. Ich denke nicht an andere Frauen. Ich denke nicht daran. Ich
sollte nicht daran denken.
Aber er dachte daran.
Auch die Grüne Dame schien vollkommen in ihre Gedanken vertieft zu sein. Sie schwieg die ganze Zeit über. Sie begann erst
wieder zu sprechen, als sie ein Dorf namens Pilzen hinter sich gelassen hatten und der Hufschlag der Pferde des Trosses, der
über eine Brücke über der Pilow gedonnert war, wieder leiser wurde.
»Nach etwa einer Meile kommt Faulbrück«, sagte sie. »Dann Reichenbach. Dann Frankenstein. Und hinter Frankenstein liegt Schloss
Stolz.«
»Ich kenne die Gegend ein wenig.« Er erlaubte es sich, einen leicht spöttischen Ton anzuschlagen. »Zwischen Reichenbach und
Frankenstein liegen auch noch Haunold und Löwenstein. Hat das eine tiefere Bedeutung?«
»Für mich überhaupt nicht.« Sie zuckte mit den Achseln. »An deiner Stelle allerdings würde ich der Straße ein wenig mehr Aufmerksamkeit
schenken. Jede Meile und jeder Ort, den wir hinter uns lassen, bringt dich Johann von Biberstein und seinem gerechten Zorn
näher. Wenn ich du wäre, würde |394| ich in jeder dieser Ortschaften nach einer Möglichkeit zur Flucht Ausschau halten.«
»Ich habe schon einmal gesagt, dass ich nicht die Absicht habe zu fliehen. Ich bin kein Verbrecher. Ich habe keine Angst,
vor Herrn von Biberstein zu stehen. Oder vor seiner Tochter.«
»Na sieh mal einer an, was für eine ehrliche Entrüstung!« Sie durchbohrte ihn mit ihrem Blick. »Was willst du mir damit sagen,
mein
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