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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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dass
     beide hinfielen.
    Der andere rappelte sich als Erster auf. Er hatte ebenfalls eine Tonsur. Reynevan griff sich ein dickes Scheit aus dem Holzstoß
     an der Wand und holte aus.
    »Nein!«, schrie das Menschlein mit der Tonsur und drückte sich an die Wand. »Nein! Ich nicht   ...«
    Er röchelte und spuckte Blut. Er kippte nicht nach vorne, sondern behielt seine aufrechte Haltung bei. Unter seinem Kinn ragte
     der Bolzen heraus, der ihn an den Balken gespießt hatte. Reynevan hatte nicht einmal das Surren gehört. Er duckte sich wieder
     und rannte zurück in den Durchschlupf.
    »He! Bleib stehen!«
    Er hielt so ruckartig in vollem Lauf inne, dass er auf dem rutschigen Gras entlangschlitterte, direkt bis vor die Hufe eines
     Pferdes. Seines eigenen Pferdes, des Braunen der Grünen Dame, dessen Zügel jetzt der dunkelgesichtige Kerl, der wie ein Handwerksgeselle
     aussah, hielt.
    »Aufsteigen«, befahl dieser schroff und warf ihm die Zügel zu. »Aufsteigen, Reynevan von Bielau. Auf die Straße! Und halt
     nicht an!«
    »Wer bist du?«
    »Niemand. Reite! Schnell!«
    Er gehorchte.
     
    |419| Er ritt nicht weit, die Nacht war unangenehm dunkel und ziemlich frostig. Als er unterwegs auf einen Heuschober stieß, vergrub
     er sich tief im Heu. Er klapperte mit den Zähnen. Vor Kälte und vor Angst.
    In Lauenbrunn hatte ihm jemand nach dem Leben getrachtet. Hatte versucht, ihn umzubringen. Wer? Biberstein, nachdem er die
     Angelegenheit noch einmal durchdacht hatte? Die Schergen Herzog Johanns, zu dem die Nachricht vielleicht schon vorgedrungen
     war? Die Leute des Bischofs? Die Inquisition? Wer waren die Männer mit den Tonsuren gewesen, die ihn in der Wirtschaft beobachtet
     hatten? Wer war der vorgebliche Handwerksgeselle, der ihn gerettet hatte?
    Er verlor sich im Gewirr seiner Gedanken. Verwirrt schlief er ein.
     
    Im Morgengrauen weckte Reynevan die Kälte, und seine Müdigkeit vertrieb endgültig ein Glockengeläut, das ganz aus der Nähe
     erklang. Als er sich aus dem Heuschober herausgearbeitet hatte und sich umblickte, bemerkte er Mauern und einen Turm. Der
     Anblick kam ihm bekannt vor. Das Städtchen, das er da in der nebligen und mystischen Helle des Morgens vor sich sah, war Nimptsch
     – hier war Reynevan zur Schule gegangen, hatte Wissen empfangen und die Rute zu spüren bekommen.
    Er ritt inmitten einer Schar von Wanderern in die Stadt hinein. Er war hungrig und ließ sich daher eher von den Gerüchen leiten,
     allein die Volksmenge auf den Straßen zog ihn mit sich Richtung Markt. Der Marktplatz war voller Menschen, dicht an dicht
     standen sie.
    »Sie werden jemanden hinrichten«, versicherte ihm ein kräftiger Kerl mit einer Lederschürze, den er nach dem Grund für diese
     Ansammlung von Menschen fragte, im Brustton der Überzeugung. »Sicher werden sie ihn aufs Rad flechten.«
    »Oder sie werden ihn pfählen.« Eine magere Frau mit einer Schürze, wahrscheinlich eine Bäuerin, leckte sich die Lippen.
    |420| »Es heißt, sie werden Almosen austeilen.«
    »Und es gibt Ablass, zwar nicht ganz umsonst, aber billig. Angeblich sind Priester des Bischofs gekommen. Direkt aus Breslau!«
    Auf dem Gerüst, das sich über der Menge erhob, standen vier Leute: zwei Mönche im Habit der Dominikaner, ein schwarz gekleideter
     Herr, der wie ein Beamter aussah, und ein Soldat von wuchtiger Statur, mit einem Helm und einer rotgelben Tunika, die er über
     den Brustpanzer seiner Rüstung gestreift hatte. Einer der Dominikaner hatte das Wort ergriffen und streckte immer wieder mit
     übertriebener Geste die Arme gen Himmel. Reynevan lauschte.
    »Jene ekelerregende böhmische Häresie zerstört die ganze Ordnung! Böse und umstürzlerische Lehren verbreitet sie von den Sakramenten!
     Sie verdammt die Ehe. Weil sie den Blick auf körperliches Verlangen und tierische Lust richtet, zerstört sie alle rechtlichen
     Bindungen und jegliche öffentliche Ordnung, durch die derartige Verbrechen geahndet werden können. Aber vor allem befiehlt
     sie, weil sie nach katholischem Blut dürstet, jeden, der sich mit ihren Irrlehren nicht einverstanden erklärt, mit bestialischer
     Grausamkeit zu ermorden oder zu verbrennen; den einen schneiden sie die Lippen und die Nase ab, den anderen die Hände und
     die Glieder, andere vierteilen oder quälen sie auf vielfältige Weise. Bilder von Jesus Christus, seiner heiligen Mutter und
     von anderen Heiligen zerstören und schänden sie   ...«
    »Wann verteilt ihr denn endlich die

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