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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Goliarden, ein Zwerg, der eine Kapuze trug. »Ich habe ihn schon mal gesehen. Vor
     zwei Jahren auf dem Erbsberg, bei der Zusammenkunft an Mabon. Oder, wie ihr sagt, an
aequinoctium
. Er war mit einem hübschen Fräulein da. Nun stellt sich heraus, dass das einer von uns ist.«
    Er zog seine Kapuze herunter. Reynevan seufzte unwillkürlich.
    Den eiförmigen, länglichen Kopf des Wesens – denn es bestand kein Zweifel daran, dass dies kein Mensch war – zierte ein Büschel
     roter Haare, steif wie die Stacheln eines Igels. Dieses Bild wurde vervollständigt durch die Nase, krumm wie die des Papstes
     auf den hussitischen Flugblättern, und die hervorquellenden, rot geäderten Augen. Und die Ohren. Große Ohren. So große, dass
     sich einem das Wort »kolossal« wie von selbst auf die Zunge schob.
    Das Wesen begann zu kichern, anscheinend belustigt über den Eindruck, den es hervorrief.
    »Ich bin ein Mamun«, rühmte es sich. »Sag nur nicht, du hättest noch nichts davon gehört.«
    »Ich habe es gehört, vor einer Weile, hier auf dem Markt. Also stimmt das, was man über euch sagt   ...«
    »Dass wir den Klang in alle Richtungen lenken können?« Der Mamun öffnete den Mund, aber seine Bassstimme ertönte hinter Reynevan,
     so dass dieser einen Satz machte.
    |424| »Sicher können wir das!« Der Mamun lächelte fröhlich, aber seine Stimme kam jetzt von der Seite her, von irgendwo hinter den
     Pferdeställen. »Das fällt uns so leicht wie Kindern!«
    »Früher haben wir damit die Reisenden im Moor in die Irre geführt«, fuhr das Wesen fort, und seine Stimme erscholl von immer
     anderen Orten her: von den Wänden herab, hinter einem Strohhaufen hervor, vom Boden herauf. »Nur so zum Spaß! Jetzt tun wir
     dies auch noch, aber seltener, weil wir der Späße überdrüssig sind, wie lange kann man das denn tun, verflixt noch mal! Aber
     manchmal ist dieses Kunststückchen recht nützlich   ...«
    »Ich hab’s gesehen und hab’s gehört.«
    »Kommt, wir gehen etwas trinken«, schlug Tybald Raabe vor.
    Reynevan musste schlucken. Der Mamun kicherte und zog seine enge Kapuze über den Kopf.
    »Keine Angst«, erklärte der Goliarde lächelnd. »Wir haben Übung darin. Wenn sich jemand wundert, sagen wir, er ist Ausländer.
     Von weit her gekommen.«
    »Aus Żmudź«, der Zwerg nieste und wischte sich die Nase am Ärmel ab. »Tybald hat sich sogar einen litauischen Namen für mich
     ausgedacht. Eigentlich heiße ich Malevolt, Jon Malevolt. Aber vor Leuten nenne mich Brasauskas.«
     
    Der Wirt stellte einen weiteren Krug auf den Tisch und sah den Mamun neugierig an, wie zuvor schon.
    »Wie ist es denn da, bei euch in Żmud ź?« Er konnte seine Neugier nicht zügeln. »Herrscht da auch eine solche Teuerung?«
    »Noch schlimmer«, antwortete Jon Malevolt ernsthaft. »Für jeden Bären fordern sie schon fünfzehn Groschen. Ich würde mich
     ja gerne für immer in eurer Gegend niederlassen, aber hier verpanschen sie mir die Getränke ein bisschen zu sehr.«
    Der Wirt machte sich davon, aber nichts deutete darauf hin, dass er die Anspielung verstanden hätte. Tybald Raabe kratzte |425| sich am Kopf. Er hatte sich gerade Reynevans Erzählung angehört. Schweigend, ohne ihn auch nur einmal zu unterbrechen. Es
     schien, als sei er ganz in Erinnerungen versunken.
    »Lieber Reinmar«, sagte er schließlich, wobei er auf die lästige Angewohnheit, ihn »Junker« zu nennen, verzichtete, »wenn
     du von mir einen Rat erwartest, so wird dieser banal und schlicht sein. Flieh aus Schlesien. Ich könnte dir noch sagen, dass
     du hier viele Feinde hast, aber das weißt du wohl selbst am besten. Ihretwegen bist du hier, stimmt’s? Also hör auf meinen
     gut gemeinten Rat: Flieh nach Böhmen! Deine Feinde hier sind etwas zu mächtig, als dass du ihnen schaden könntest.«
    »Wirklich?«
    »So ist es, leider!« Der Goliarde sah ihn durchdringend an, er durchbohrte ihn fast mit seinem Blick. »Besonders Johann, der
     Herzog von Münsterberg, ist eine Nummer zu groß für dich. Ich weiß, dass er dir dein Erbe weggenommen hat, ich weiß, wie sehr
     er Herrn Peters Walkmühle hat verkommen lassen. Und ich weiß auch genug über die Umstände des Todes der Adele von Sterz, um
     deine Absichten erraten zu können. Und ich rate dir: Lass ab davon. Für Herzog Johann hat deine Rache so viel Bedeutung, wie
     wenn ein Hund die Sonne anbellt!«
    »Du ziehst voreilige Schlüsse«, Reynevan hob seinen Becher mit Wein, der tatsächlich ein bisschen

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