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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Ast ein Prälat, der sich an Rom verkauft hatte. Krähen, Raben, Wölfe und verwilderte Hunde taten sich
     an den Toten gütlich. Eigentlich hätte man annehmen müssen, dies wären ausschließlich die Leichen von nach slawischem Blut
     dürstenden Deutschen und von Feinden des Kelches. Man hätte annehmen müssen, dass sich unter den Toten keine Unschuldigen
     und keine Zufallsopfer befänden. Man hätte es annehmen müssen. Aber niemand tat es.
    Sie ließen das Bischofsdorf Jauernig hinter sich und strebten den Bergen zu, dem Krautenwalder Pass. Und hier wurden sie mitten
     im Frühling vom Winter überfallen.
     
    Es begann ganz harmlos, indem sich der Himmel bewölkte, ein etwas schärferer und kälterer Wind blies und ein paar vereinzelte
     Schneeflocken herabschwebten. Ohne Vorwarnung verwandelten sich dann aber die paar Schneeflocken in ein weißes |509| Schneegestöber. Der Schnee fiel in dichten großen Flocken und bedeckte sofort den Weg, überzog die Fichten und füllte die
     Bodenrinnen an. Den Reisenden schmiegte er sich ins Gesicht, taute an den Wimpern und füllte die Augen mit Wasser. Je weiter
     hinauf sie zum Pass gelangten, umso schlimmer wurde es – der wütend fauchende Wind rief ein solches Schneegestöber hervor,
     dass sie außer den mit Schnee bedeckten Mähnen ihrer Pferde nichts mehr erkennen konnten. Das Schneegestöber machte sie blind
     und trieb ein Spiel mit all ihren anderen Sinnen – in diesem Schneetreiben, das hätten sie beschwören können, erklangen wildes
     Gelächter, Kichern, Geschrei und Gejohle. Keiner der Freunde war übertrieben abergläubisch, aber alle krümmten sich plötzlich
     seltsam in ihren Sätteln zusammen, und die Pferde begannen, ohne dass jemand sie angetrieben hätte, energischer vorwärts zu
     drängen und von Zeit zu Zeit unruhig zu schnauben.
    Zum Glück führte der Weg sie in einen Talkessel, der zusätzlich durch einen Buchenwald geschützt war. Dann spürten sie den
     Rauch und sahen ein Lichtlein.
    Es herrschte vollkommene Stille. Bei solch einem Wetter hatten nicht einmal die Hunde Lust zu bellen.
     
    In der Schenke wurden außer Bier nur Heringe, Kraut und Erbsen ohne Fett serviert – schließlich war Fastenzeit. Es hielten
     sich jedoch so viele Gäste in der Gaststube auf, dass Reynevan und seine Gefährten nur mit Mühe einen Platz fanden. Die meisten
     Gäste waren Bergleute aus Reichenstein und Zuckmantel, aber auch solche, die vor dem Krieg geflohen waren, fehlten nicht,
     sie kamen aus Patschkau, Weidenau und sogar aus Ziegenhals. Der Überfall der Hussiten beherrschte natürlich das Gespräch und
     verdrängte sogar die Themen Wirtschaft und körperliche Liebe. Alle sprachen von den Hussiten. Řehors wäre nicht er selbst
     gewesen, hätte er eine solche Gelegenheit verstreichen lassen.
    »Ich sage euch, wie es in der Welt so zugeht«, verkündete er, |510| als man ihn endlich zu Wort kommen ließ. »Der eine geht ehrlicher Arbeit nach und verzehrt sein ehrlich verdientes täglich
     Brot. Andere aber, die dieses Brot verzehren, sind Räuber und Diebe, weil sie nicht dafür gearbeitet, sondern es den Arbeitenden
     gestohlen und geraubt haben. Und zu denen gehören die Herren, die Prälaten, die Priester, die Mönche und die Nonnen, die das
     Volk wie Blutegel aussaugen und die nicht das tun, was das Evangelium lehrt, sondern genau das Gegenteil. Daher sind sie alle
     Feinde des Gesetzes Gottes und haben Strafe verdient. Wisst ihr, Brüder, wie die Bauern in Katscher und Leobschütz ihr Hab
     und Gut bewahrt haben? Sie haben die Sache in die eigene Hand genommen und erledigt. Als die Böhmen herangezogen sind, haben
     sie Kirche und Herrenschloss nur noch als Brandstätte vorgefunden und den Herrn und den Pfarrer an Stricken baumelnd. Denkt
     mal darüber nach, ihr Christenbrüder. Denkt gut darüber nach!«
    Die Zuhörer, ja, ja, wohl, wohl, er redet wohl, die Herren und die Mächtigen drücken uns, dass es sich nicht leben lässt,
     noch ein Bier, Wirt, und die Pfaffen und die Mönche sind die Schlimmsten, Blutsauger allesamt, der Teufel soll sie holen,
     Bier her, Bier her, mehr Bier, und dann die Steuern, verfluchte Scheiße, die erdrücken uns noch ganz, schwere Zeiten sind
     das, die Weiber haben nur Hurerei im Kopf, die Jungen feiern nur noch und hören nicht auf die Alten, früher war das anders,
     mehr Bier, zapf noch ein Fässchen an, Wirt, dein Hering ist so salzig, der soll doch gleich die Krätze kriegen.
    Scharley fluchte,

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