Gottesstreiter
mit Fackeln und den auf Spieße gesteckten
Köpfen der Gefallenen.
Am anderen Tag, noch bevor man mit dem Verladen der |504| Beute auf die Wagen fertig war, meldete sich Vogelsang bei Horn und Reynevan, und zwar in Gestalt des aus der Stadt geflohenen
Drosselbart. Sofort begaben sie sich zu Prokop. Neisse, meldete Drosselbart, sei für die Verteidigung gut gerüstet, Herr Puta
habe die Situation im Griff, halte auf eiserne Disziplin und ersticke jedes Anzeichen von Panik oder Defätismus bereits im
Keim. Er habe genügend Kräfte und Mittel, um die Stadt im Falle einer Belagerung lange und wirksam zu verteidigen, auch jetzt,
da Bischof und Herzöge geflohen seien.
»Während ihr hier mit den Köpfen der Toten auf den Lanzen herumgezogen seid«, erklärte der dürre Kerl ziemlich frech, »ist
der Bischof durchs Breslauer Tor geflohen. Auch die Herzöge haben Fersengeld gegeben, Ruprecht, Ludwig von Ohlau und Johann
von Münsterberg.«
Prokop der Kahle gab keinen Kommentar ab, er sah ihn nur fragend an. Drosselbart verstand ihn auch ohne Worte.
»Ruprecht könnt ihr vorläufig vergessen«, erklärte er. »Der flieht bis nach Haynau und wird sich unterwegs nicht aufhalten
lassen. Wenn ihr meine Meinung hören wollt, dann wird auch jeden Moment sein Onkel Ludwig von Brieg Reißaus nehmen. Ludwig
hat, wie euch sicher nicht entgangen ist, an der Schlacht nicht teilgenommen, ja, er hat sich nicht einmal aus Brieg wegbewegt,
obwohl der Bischof wütend darüber war. Ludwig besitzt eine ziemlich große Streitmacht, an die hundert Lanzenreiter. Und geht
dem Kampf aus dem Weg. Entweder hat er Schiss oder ... Es gehen da diverse Gerüchte um ... Soll ich reden?«
»Ich höre«, Prokop zwirbelte nachdenklich ein Endchen seines Schnurrbarts, »ich höre aufmerksam zu.«
»Ludwigs Gemahlin ist, wie ihr wisst, Elisabeth, die Tochter Friedrichs, des Kurfürsten von Brandenburg. Der Kurfürst verbündet
sich mit dem polnischen König Jagiełło, er will seinen Sohn mit Jagiełłos Tochter vermählen. Er weiß, dass der polnische König
insgeheim den Böhmen zuneigt, um ihn also nicht zu ärgern und die Chance auf ein Heiratsbündnis mit |505| Polen nicht zu verpassen, wirkt er über die Tochter auf Herzog Ludwig ein, damit sich dieser neutral verhält ...«
»Genug!« Prokop ließ seinen Schnurrbart los. »Das ist Blödsinn, schade um die Zeit. Aber stärkt dieses Gerücht, verstärkt
es. Soll es sich nur verbreiten! Was hörst du von Johann von Münsterberg? Und vom jungen Herzog von Ohlau?«
»Bevor sie aus Neisse geflüchtet sind, hat es einen Streit gegeben. Zwischen den beiden und Puta von Czastolovice. Es ist
kein Geheimnis, worum es dabei ging. Beide wollen ihre Herzogtümer retten. Kurz gesagt: Sie wollen verhandeln. Sich freikaufen.«
»Denjenigen, die mit uns paktieren«, sagte Prokop langsam, »droht der Luxemburger mit dem Verlust ihres Lebens, ihrer Ehre
und ihres Besitzes. Die Kirche gibt ihrerseits noch den Bannfluch dazu. Haben die das vergessen? Oder halten sie das alles
für eine leere Drohung?«
»Der Luxemburger ist weit weg«, Drosselbart zuckte mit den Achseln, »sehr weit sogar. Viel zu weit weg für einen König. Ein
König sollte seine Untertanen verteidigen. Was aber tut Sigismund? Sitzt in Buda. Im Streit mit Puta haben die Herzöge mehr
als einmal darauf hingewiesen.«
»Was meint ihr dazu?« Prokop hob den Kopf. »Horn? Bielau?«
»Johann von Münsterberg ist ein Verräter!«, stieß Reynevan hervor. »Ein verlogener Lump! Er ist aus Neisse geflohen und hat
Herrn Puta, seinen zukünftigen Schwiegervater, verraten und im Stich gelassen. Er verrät den Luxemburger und will mit uns
paktieren, weil ihm das heute in den Kram passt. Morgen, wenn es ihm in den Kram passt, verrät er uns!«
Prokop blickte ihn lange an.
»Ich nehme an«, sagte er dann, »dass Johann von Münsterberg und Ludwig von Ohlau unentschlossen sind, dass sie zögern und
nicht wissen, wie sie an uns herantreten sollen. Wir werden ihnen das erleichtern, indem wir selbst den ersten Schritt tun.
Wenn sie tatsächlich verhandeln wollen, werden sie |506| die Gelegenheit mit beiden Händen ergreifen. Ihr geht nach Münsterberg und Ohlau und unterbreitet ihnen den Vorschlag. Wenn
sie die Ablöse zahlen und sich von bewaffneten Aktionen fern halten, werde ich ihre Herzogtümer verschonen. Wenn sie nicht
zahlen oder die Übereinkunft brechen, werden sie sich auch in hundert
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