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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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über seine Schüssel gebeugt, leise, Samson schnitt Stöckchen und seufzte. Reynevan kaute auf den Erbsen
     herum, die ohne Schmalz wie Hühnerfutter schmeckten. Unter der niedrigen, verrußten Balkendecke des Schankraums waberte der
     Rauch, tanzten Spinnweben und trügerische Schatten.
     
    Sie schliefen im Stall, am frühen Morgen zogen sie weiter auf ihrem Weg in Richtung Landeck. Reynevan und Scharley hatten
     Řehors ’ gestrigen Auftritt nicht vergessen. Er wurde beiseite |511| genommen und musste sich einige Bemerkungen anhören, die hauptsächlich die Prinzipien der Konspiration betrafen. Vogelsang
     sei, ermahnte ihn Reynevan, in einer wichtigen und geheimen Mission nach Glatz unterwegs. Das verlange Diskretion und Tarnung.
     Es könne der Mission schaden, zöge man zu viel Aufmerksamkeit auf sich.
    Zunächst plusterte sich Řehors noch ein wenig auf und berief sich auf seine ihm unmittelbar von Prokop erteilten Befehle.
     Die unter den Bauern verbreitete Propaganda, rühmte er sich, habe bei Neisse die Moral des bischöflichen Fußvolkes untergraben,
     und so weiter und so fort. Schließlich erklärte er sich einverstanden damit, etwas mehr Zurückhaltung zu wahren. Das hielt
     er auch eine halbe Meile aus, bis sie zu der eben eine halbe Meile hinter Landeck gelegenen Ortschaft Reyersdorf kamen.
    »Ich sage euch, wie es in der Welt so zugeht«, rief er, nachdem er auf ein Fass gestiegen war, den Bauern und Flüchtlingen
     zu. »Die Pfaffen und die Wohlgeborenen behaupten, dass die Böhmen uns den Krieg bringen. Sie lügen! Dies ist kein Krieg, sondern
     brüderlicher Beistand, eine Friedensmission! In einer Friedensmission kommen die Gottesstreiter nach Schlesien, denn der Frieden,
pax Dei
, ist für die guten Böhmen das höchste Gut. Aber damit Frieden herrschen kann, muss man die Feinde des Friedens bezwingen,
     wenn es sein muss, mit Waffen und mit Gewalt! Nicht das schlesische Brudervolk ist für die Böhmen der Feind, sondern der Bischof
     von Breslau, dieser Lump, Unterdrücker und Tyrann. Der Bischof von Breslau ist mit dem Teufel im Bunde, er vergiftet die Brunnen,
     damit sich in Schlesien Seuchen ausbreiten, die das Volk verderben. Daher sind die Böhmen gegen den Bischof, gegen die Pfaffen,
     gegen die Deutschen! Das einfache Volk braucht die Böhmen nicht zu fürchten!«
    Als die Menschenmenge noch stärker anwuchs, fand auch Bisclavret sein Betätigungsfeld. Er las den Leuten einen Brief von Jesus
     Christus vor, einen Brief, der in der Nähe von Troppau vom Himmel herab auf ein Feld niedergefallen war.
    |512| »O ihr Sünder und Unwürdigen«, las er ergriffen. »Euer letztes Stündlein ist nahe. Ich bin geduldig, aber wenn ihr nicht mit
     Rom, dieser babylonischen Bestie, brecht, dann verfluche ich euch, gemeinsam mit meinem Vater und meinen Engeln, bis in alle
     Ewigkeit. Dann schicke ich Hagel, Feuer, Blitze und Unwetter, um eure Arbeit und eure Weinberge zu verderben, und nehme euch
     all eure Schafe weg. Ich werde euch mit böser Luft strafen und euch großes Elend auferlegen. Ich ermahne euch also und verbiete
     euch, jenen unwürdigen Papisten, Presbytern und Bischöfen, jenen Dienern des Antichristen, den Zehnten zu geben; ich verbiete
     euch, ihnen zuzuhören. Denn wer sich entgegenstellt, wird das ewige Leben nicht erlangen, und in seinem Hause werden die Kinder
     blind, taub und räudig geboren   ...«
    Die Zuhörer bekreuzigten sich mit schreckverzerrten Gesichtern. Scharley fluchte leise. Samson schwieg und mimte den Idioten.
     Reynevan seufzte, unternahm aber nichts mehr und sagte auch nichts mehr.
     
    Das Tal der Biele führte sie geradewegs in den Glatzer Kessel, um einzukehren, hielten sie im Weiler Eisersdorf bei einer
     Schenke. Dass die Gegend reich war an Gasthäusern und Schenken, verwunderte sie nicht, reisten sie doch auf einer Handelsstraße,
     die besonders von Kaufleuten genutzt wurde, die auf dem Weg nach Böhmen die Glatzer Maut- und Zollstationen umgehen wollten.
     Durch den beträchtlichen Anstieg hinauf zum Krautenwalder Pass war der Weg zwar zu mühsam für schwer beladene Wagen, aber
     Kaufleute, die mit leichterem Gepäck reisten, wählten oft diese Straße. Die Gefährten hatten sich aus anderen Gründen für
     sie entschieden.
    In der Schenke in Eisersdorf nahm neben den Kaufleuten, Reisenden und den in letzter Zeit immer häufiger anzutreffenden Flüchtlingen
     eine Gruppe von Vaganten, Spielleuten und fröhlichen Scholaren, die viel Lärm und

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