Gottesstreiter
Jahren nicht aus Trümmern und Brandstätten erheben.
Ihr geht sofort. Ihr zwei. Horn und Bruder Drosselbart.«
»Und ich?«, fragte Reynevan. »Ich nicht?«
»Du nicht«, erwiderte Prokop ruhig. »Du regst dich viel zu schnell auf. Dahinter steckt eine private Angelegenheit, eine persönliche
Rache. Wir verfolgen auf diesem Feldzug hehre Ziele und Ideen. Wir verbreiten das wahrhaftige Wort Gottes. Wir brennen die
Kirchen nieder, in denen man statt Gott den römischen Antichristen verehrt. Wir strafen die Prälaten, die sich an Rom verkauft
haben, diese Unterdrücker des Volkes. Wir strafen die Deutschen, die nach slawischem Blut dürsten. Aber neben den hehren Ideen
haben wir auch Interessen zu verfolgen. Die Ernte war schlecht, wir beginnen auch die Auswirkungen der Blockade zu spüren.
Der Strich Roggen kostet in Prag vier Groschen, Reinmar. Vier Groschen! Den Böhmen droht eine Hungersnot. Wir sind nach Schlesien
gezogen, um Beute zu machen. Des Geldes wegen. Wenn ich Geld kampflos und ohne Leute zu opfern, bekommen kann, umso besser,
umso größer ist der Vorteil. Pakte und Übereinkommen sind ebenso gute Mittel, einen Krieg zu führen, wie der Beschuss aus
der Bombarde, merk dir das! Verstehst du das?«
»Ich verstehe.«
»Großartig. Aber ich warte trotzdem so lange, bis sich das in deiner Seele festgesetzt hat. Inzwischen reiten Horn und Drosselbart
nach Münsterberg und Ohlau. Ohne dich. Für dich habe ich andere Aufgaben.«
|507| Am nächsten Tag, am Samstag vor dem Sonntag
Judica
, der in Schlesien Weißer Sonntag genannt wird, begann Prokop, mit Puta von Czastolovice über das Lösegeld für die Gefangenen,
die in der Schlacht gemacht worden waren, zu verhandeln. Währenddessen brannten Jaroslav von Bukowina und Sigmund von Vranov
Ottmachau und Patschkau nieder, den Himmel mit zwei mächtigen, weithin sichtbaren Rauchsäulen zierend. Otíka z Lozy, Zmrzlík
und Tovačovský waren auch nicht faul, sie brannten Weidenau nieder und nahmen die Burg Jauernig ein. Auch Puchała stand ihnen
in nichts nach, eifrig und systematisch setzte er die bischöflichen Dörfer und Vorwerke in Brand.
Prokop fand aber auch einen Moment Zeit für Reynevan. Er legte eine Verhandlungspause ein, um sich von ihm zu verabschieden.
Und um ihm letzte Ratschläge zu erteilen.
»Deine Aufgabe«, belehrte er ihn, »ist für den Feldzug von erstrangiger Bedeutung. Jetzt, unter vier Augen, kann ich es dir
sagen: Sie ist sehr viel wichtiger als die Verhandlungen, die Horn und Drosselbart führen. Ich sage dir das deshalb, weil
ich sehe, dass du immer noch schmollst, weil ich dich nicht mit ihnen zusammen losgeschickt habe. Ich sage es noch einmal:
Du hast eine Aufgabe erhalten, die hundertmal wichtiger ist. Und hundertmal schwieriger, das möchte ich nicht verhehlen.«
»Ich werde sie ausführen, Bruder Prokop«, versprach Reynevan, »zum Ruhme des Kelches.«
»Zum Ruhme des Kelches«, wiederholte Prokop der Kahle nachdrücklich. »Gut, dass du es so auffasst. Und dass du begreifst,
wie eng diese Sache mit dem Kelch zusammenhängt. Und dass du nur mit uns deinen Bruder und dich für das durch die Papisten
erlittene Unrecht rächen kannst. Nur so und nicht anders wirst du dies tun können. Denke daran.«
»Ich werde daran denken.«
»Dann geh mit Gott.«
|508| Sie machten sich mittags zu Pferd auf den Weg: Reynevan, Scharley, Samson, Bisclavret und Řehors. Samson hatte am Sattelknopf
seinen flämischen Goedendag hängen, Scharley hatte sich mit einem gefährlich aussehenden Krummschwert, einem so genannten
falcion
, bewaffnet, das eine gekrümmte und sich zum Ende hin verbreiternde Klinge besaß. Diese Waffen wurden, trotz ihres sarazenisch
anmutenden Aussehens, in ganz Europa geschmiedet, besonders in Italien waren sie sehr beliebt. Sie waren leichter als Schwerter
und bedeutend einfacher im Kampf zu führen, besonders im Getümmel.
In der Nähe des niedergebrannten Ottmachau setzten sie ans linke Ufer der Glatzer Neiße über und zogen auf die Kette des Reichensteiner
Gebirges zu. Sie hatten einen Weg gewählt, den vor ein paar Tagen erst die hussitischen Truppen entlanggezogen waren; überall,
so weit das Auge reichte, waren die Spuren dieses Zuges und die Zeichen der Verwirklichung der hehren Ziele und Ideen von
Tábor zu sehen. Von den Kirchen, in denen der römische Antichrist verehrt wurde, waren nur Brandstätten geblieben. Hie und
da hing an einem kahlen
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