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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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zu, was wir davon besorgen können. Wir haben Geld, wir haben Zeit   ...«
    »Mit der Zeit sieht es nicht gerade gut aus«, meinte Bisclavret. »Heute ist der zweiundzwanzigste März, der Montag nach dem
     Weißen Sonntag. Královecs Waisen werden am Mittwoch hier sein. Spätestens am Donnerstag.«
    »Das schaffen wir«, sagte Reynevan überzeugt. »Ans Werk, meine Herren!«
     
    Als Resident und »Schläfer« von Vogelsang in Glatz entpuppte sich der Altardiener der Marienkirche namens Johann Trutwein.
     Als er Bisclavret sah, wäre er fast in Ohnmacht gefallen. Rasch aber, das muss zu seiner Ehre gesagt werden, beruhigten sich
     seine Nerven wieder so weit, dass er ihre Fragen vernünftig beantworten konnte. Er klapperte noch ein wenig mit den Zähnen,
     als er vom Schicksal der anderen Agenten berichtete, die man zuerst im Rathaus und dann auf dem Markt vor den Augen der gaffenden
     Menge gefoltert hatte. Er selbst war davongekommen, weil jene Unglücklichen nichts von ihm wussten. Vogelsang war viel zu
     gewitzt, um alle Eier in einem Körbchen versteckt zu halten. Aber was Johann Trutwein an Panikattacken durchgestanden hatte,
     wusste er selbst nur zu gut.
    Bisclavret kannte jedoch ein unfehlbares Mittel gegen diese Angst. Die Miene des Altardieners erhellte sich beim Anblick der
     prall gefüllten Geldbörse zusehends, und nachdem er gehört hatte, welches Anliegen sie an ihn hatten, handelte er mit erstaunlichem
     Geschick. In Kürze hatte er für die Verschwörer eine Bleibe gefunden, die in der Milchgasse gelegene Wohnung eines Kaufmanns,
     der aus der Stadt geflohen war, nachdem er dem Altardiener den Wohnungsschlüssel anvertraut hatte. Auch bot Trutwein ihnen
     sofort seine Hilfe für die Beschaffung |533| der Rohstoffe an. Er fragte nicht, wozu sie diese benötigten. Das war auch besser so, denn es hätte ihm ohnehin keiner gesagt.
    Noch am selben Tag begann Reynevan in der Wohnung des Kaufmanns mit Hilfe von Beschwörungen und Amuletten magische Zünder
     herzustellen, die man
Ignis suspensus
nannte. Der Rest der Mannschaft machte sich auf den Weg in die Stadt, um einzukaufen, was er brauchte. Und da gab es ein Problem.
    Als Problem, o Wunder, erwiesen sich nicht etwa Schwefel oder Salpeter, die sie ohne größere Schwierigkeiten bei den Apothekern
     der Stadt erwerben konnten, auch nicht das Harz, das bei den in den Schutz der Stadtmauern geflüchteten Pechbrennern reichlich
     vorhanden war, auch nicht das Antimonpulver, das ihnen, zwar für einen horrenden Preis, aber immerhin, ein aus Habelschwerdt
     geflohener Alchemist verkaufte. Als Problem erwies sich ein Bestandteil, der, wie man jedenfalls annehmen durfte, keinerlei
     Schwierigkeiten hätte bereiten sollen: das Öl. Es gab kein Öl in Glatz. Es war ausverkauft.
    In der Stadt selbst gab es nur sehr wenige Ölmüller, den Bedarf an Öl hatten bisher die Ölpressen aus dem Umland gedeckt.
     Die Ölproduktion
intra muros
hatte in den Mühlen als Nebenerwerb stattgefunden, welchem sich die Müllergesellen widmeten. Jetzt, angesichts der drohenden
     Belagerung, hatte ein Teil der Gesellen zu den Waffen gegriffen, die übrigen mahlten Tag und Nacht Getreide.
    Der verdienstvolle Altardiener der Marienkirche fand auch hierfür eine Lösung. In der Pfarrei war ihm zugeflüstert worden,
     einer der hiesigen Ölmüller habe noch Vorräte, halte sie aber versteckt, um sich im geeigneten Moment durch Spekulation zu
     bereichern. Vielleicht würde er einen oder zwei Bottiche voll verkaufen. Nachdem der Altardiener seine Bereitschaft erklärt
     hatte, bei dem Handel zu vermitteln, ging er los, denn die Abenddämmerung brach herein.
     
    |534| Am nächsten Tag herrschten Verwirrung und Aufregung in der Stadt, die Leute strömten zum Grünen Tor. Auch die Gefährten begaben
     sich dorthin. Die Menschen drängten sich dicht an der Mauer und wiesen mit dem Finger auf die im Süden aufsteigenden Rauchsäulen.
     Es hieß, dass Rengersdorf, Märzdorf, Niederhannsdorf und Eisersdorf brannten. Der schwarze Rauch, den der Wind in zerrissenen
     Wolken auseinander trieb, stieg kurz darauf auch im Westen, über Schwedeldorf und Roschwitz, auf. Die Aufregung der Städter
     erreichte ihren Höhepunkt. Angesichts der zuvor eingetroffenen Nachrichten vom Brand Kunzendorfs konnten die Rauchfahnen im
     Westen nur eines bedeuten – die Hussiten hatten Glatz in die Zange genommen.
    »Morgen.« Als sie zurückgekehrt waren, sah Bisclavret Reynevan bedeutsam an. »Morgen steht

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