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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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spuckte aus.
    »Hier haben wir noch einen!«, brüllten ein paar Hussiten, die aus der Vorhalle gestürmt kamen. »Bruder Půlpán! Wir haben noch
     einen gefangen! Er hatte sich auf der Kanzel versteckt.«
    »Her mit ihm! Her mit diesem Papisten!«
    |559| Der von den Hussiten herbeigeschleppte, schreiende, stöhnende und sich windende Mönch war – Reynevan hatte ihn sofort erkannt
     – der Diakon Andreas Kantor. Als man ihn vorbeizerrte, erblickte er Reynevan.
    »Junker Bielau«, heulte er, »schick mich nicht ins Martyrium! Laaass miiich! Rette mich, Junkeeer!«
    »Du hast mich verkauft, Kantor! Weißt du noch? Du hast mich wie Judas dem Tod ausgeliefert. Also wirst du auch wie Judas verderben!«
    »Junkeeeer! Gnaaadeee!«
    »Her mit ihm!« Půlpán wies auf den blutüberströmten Hackklotz. »Es gibt einen dritten Märtyrer.
Omne trinum perfectum!
«
    Vielleicht hatte ein Impuls darüber entschieden, irgendeine verwischte Erinnerung. Vielleicht war es auch nur ein Moment der
     Schwäche, der Müdigkeit. Vielleicht der tieftraurige Blick Samsons, den er aus den Augenwinkeln gesehen hatte. Reynevan wusste
     selbst nicht genau, was ihn eigentlich zum Handeln, zu dieser Tat gezwungen hatte. Er riss einem neben ihm stehenden Böhmen
     die Armbrust aus der Hand, zielte und drückte ab. Der Bolzen traf Kantor mit solcher Wucht unter dem Brustbein, dass er auf
     dem Rücken wieder austrat und den Diakon fast den Händen seiner Peiniger entrissen hätte. Er war tot, bevor er zu Boden sank.
    »Ich hatte mit ihm noch eine alte Rechnung zu begleichen«, erklärte Reynevan in die tiefe, tödliche Stille hinein.
    »Ich verstehe«, Půlpán nickte. »Aber tu das nie wieder, Bruder. Andere könnten das missverstehen.«
     
    Prasselnd fraßen sich die Flammen durch das Dach der Kirche, Dachgerüst und Balken fielen in das brennende Innere. Jeden Moment
     konnten die Wände brechen und einstürzen. Eine Säule aus Funken und Rauch stieg in den Himmel empor. Schwarze Fetzen kreisten
     über dem Feuer wie Krähen über einem verlassenen Schlachtfeld.
    |560| Der Reiter, der auf den Platz stürmte, hielt sein schaumbedecktes Pferd vor den Hauptleuten der Waisen an. Vor Jan Královec,
     Prokupek, Kolda von Žampach, Jíra z Řečice, Brázda von Klinštejn und Matĕj Salava z Lipé.
    »Bruder Jan! Bruder Prokop ist aus Ohlau zurückgekehrt und zieht jetzt über Strehlen nach Reichenbach. Er fordert Euch auf,
     Ihr mögt Euch unverzüglich dorthin begeben!«
    »Habt ihr gehört?« Královec wandte sich zu seinem Stab um. »Tábor ruft!«
    »Das Schloss wird noch immer verteidigt«, erinnerte ihn Prokupek.
    »Dann haben sie Glück. Anführer, zu den Abteilungen! Ladet die Beute auf die Wagen und treibt die Kühe zusammen. Abmarsch!
     Wir ziehen nach Reichenbach, Brüder! Nach Reichenbach!«
     
    »Seid gegrüßt, Brüder. Seid gegrüßt, Tábor!«
    »Gott zum Gruße, Brüder! Seid gegrüßt, Waisen!«
    Die herzlichen Begrüßungsrufe nahmen kein Ende, Freude über die Begegnung und Euphorie hatte alle erfasst. Kurz darauf fasste
     Jan Královec von Hrádek die Rechte Prokops des Kahlen, Prokupek küsste Markolts zotteligen Backenbart, Jan Zmrzlík klopfte
     Matĕj Salava auf den gepanzerten Rücken, und Jaroslav von Bukowina stöhnte unter der kräftigen Umarmung von Kolda von Žampach.
     Urban Horn umarmte Reynevan, Řehors Drosselbart. Die Dreschflegelkämpfer und die Schützen der Waisen begrüßten die Lanzenträger
     von Tábor, die Hellebardenträger von Schlan und die Nimburger Streitaxtkämpfer drückten die Armbrustschützen von Chrudim.
     Die Wagenmeister begrüßten einander, wobei sie, wie immer, schrecklich fluchten.
    Der Wind zerrte an den nebeneinander wehenden Standarten – dicht neben dem
veritas vincit
, der Hostie und der Dornenkrone von Tábor, flatterte der Pelikan der Waisen, der rotes Blut in einen goldenen Kelch vergoss.
     Die Gottesstreiter riefen |561| ein Hurra nach dem anderen und warfen ihre Kappen und Helme in die Luft.
    Im Hintergrund brannte die Stadt Reichenbach, von schwarzen Rauchwolken durchzogen. Die Taboriten hatten sie angezündet, nachdem
     die in Panik geratenen Bewohner geflohen waren.
    Prokop, die Hand immer noch auf Jan Královecs Schulter, blickte mit zufriedenem Lächeln auf die sich formierende Armee. Jetzt,
     wo alle zusammen waren, zählten sie mehr als tausend Reiter, mehr als zehntausend Mann Fußvolk und dreihundert Kampfwagen,
     voll gespickt mit Artillerie. Er wusste, dass es in

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