Gottesstreiter
Sicherheit hatte er bisher nicht gehabt, und Enttäuschungen
angesichts der Folgen eines möglichen Irrtums hatte |62| er schon mehr als genug erlebt. Aber sobald der Ritter begonnen hatte zu sprechen, konnte von einem Irrtum keine Rede mehr
sein. Diese Stimme hatte er vor zwei Jahren vernommen, am dreizehnten September, in Schlesien, in der Scheune der Zisterzienser
in Eichau.
»Du hast es dir verdient ...«, der silbern-schwarze Ritter feuchtete sich die Lippen an und schielte zu Reynevan hinüber, »du hast eine Belohnung verdient.
Allein schon für deine Schlauheit. Mit Schläue hast du mich gefangen, da kann man nichts sagen. Du bist ein heller Kopf, da
kann man nichts sagen ...«
Er hörte auf zu sprechen. Er hatte bemerkt, dass er vergebens redete, dass seine Worte auf den, an den sie gerichtet waren,
nicht den geringsten Eindruck machten. Sogleich änderte er seine Vorgehensweise. Er setzte eine stolze Miene auf und änderte
seinen Ton. In einen hochherrschaftlichen und herrischen.
»Ich bin Jan Smiřický von Smiřice. Begreifst du das, Kerl? Jan Smiřický! Das Lösegeld für mich ...«
»Dort auf dem Markt«, unterbrach ihn Reynevan, »hängt der Leichnam deines Kameraden Hynek schon am Pranger, nackt. Daneben
ist noch viel Platz.«
Der Ritter senkte den Blick nicht. Reynevan begriff, mit wem er es zu tun hatte, aber er blieb dennoch bei seiner Strategie.
Er versuchte weiterhin, ihn zu erschrecken und einzuschüchtern.
»Von deinen restlichen Freunden haben nur die überlebt, die Propst Rokycana verteidigt hat, als er sie mit seinem eigenen
Leib vor den Spießen des Pöbels schützte; die hat man ins Rathausverlies geworfen. Zuvor aber hat man sie über einen rasch
ersonnenen ›Tugendpfad‹ gejagt, durch ein Spalier von Leuten mit Keulen und Äxten. Außerdem geht die Verfolgung weiter, und
der Pöbel wartet immer noch vor dem Rathaus. Du fragst dich, warum ich dir das alles erzähle? Weil ich große Lust habe, dich
dorthin zu schleifen, auf den Markt, um dich |63| den Pragern auszuliefern und zuzusehen, wie du unter den Schlägen anfängst zu rennen. Weißt du, woher diese Lust rührt? Errätst
du es womöglich?«
Der Ritter zwinkerte mit den Augen. Dann riss er sie weit auf.
»Du bist das ...! Jetzt erkenne ich dich!«
»Du hast meinen Bruder verraten, Jan Smiřický von Smiřice, du hast ihn in den Tod geschickt ... Dafür wirst du bezahlen. Ich überlege gerade, wie. Vielleicht liefere ich dich den Pragern aus, wie ich es dir gesagt
habe. Ich kann dir auch hier auf der Stelle ein Messer in die Rippen jagen.«
»Ein Messer?« Der Ritter hatte rasch wieder Haltung angenommen, er schürzte verächtlich die Lippen. »Du? In die Rippen? Ha,
na dann los, jüngerer Herr von Bielau. Nur zu!«
»Provoziere mich nicht.«
»Provozieren?« Jan Smiřický lachte und spuckte aus. »Ich provoziere dich nicht. Ich verspotte dich! Ich kenne mich mit Menschen
aus, ich kann ihnen durch die Augen bis in die Seele blicken. Dir habe ich in die Augen gesehen, und ich sage dir: Du kannst
nicht mal ein Küken töten.«
»Ich kann dich zum Rathaus schleifen, habe ich gesagt. Dort wartet eine Meute auf dich, die weniger empfindsam ist.«
»Du kannst mir auch den Arsch küssen. Genau das schlage ich dir vor. Und empfehle es dir aus tiefstem Herzen.«
»Ich kann dich auch freilassen.«
Smiřický wandte den Kopf ab. Nicht schnell genug, als dass Reynevan nicht das Aufblitzen in seinen Augen bemerkt hätte.
»Also setzt du«, fragte Smiřický nach einer Weile, »doch auf Lösegeld?«
»So kann man es nennen. Du wirst mir einige Fragen beantworten.«
Der Ritter blickte ihn an. Er schwieg lange.
»Du Grünschnabel«, sagte er schließlich, verzog verächtlich den Mund und betonte jedes Wort. »Du kleiner Schlesiendeutscher.
Du Doktor Quacksalber! Was glaubst du eigentlich, mit |64| wem du es zu tun hast? Ich bin Jan Smiřický von Smiřice, ein böhmischer Edelmann, ein Ritter, der Hetman von Melnik und Raudnitz.
Meine Vorfahren haben bei Legnano gekämpft, bei Askalon und Arsuf. Mein Urgroßvater hat sich vor Mühldorf und vor Crécy Ruhm
erworben. Ich soll dir Rede und Antwort stehen? Dir? Ach, fick dich doch selbst, du Trottel.«
»Du, edler Herr Smiřický, hast wie ein ganz gewöhnlicher Verbrecher den Verrat an deinen eigenen Landsleuten angezettelt.
An jenen, die dich zum Hetman ernannt und in Melnik und Raudnitz eingesetzt haben. Zum Dank
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