Gottesstreiter
Hört nicht auf diese gottlosen Befehle, erfüllt den Willen dieses Apostaten und Heiligenschänders nicht! Wenn ihr ihm gehorcht,
trifft der Bann auch euch! Und ihr werdet keinen Platz mehr finden unter den Christen! Keiner wird euch mehr Speise oder Wasser
reichen! Solda ...«
Auf ein Zeichen des Mauerläufers hin hatten seine Männer die Äbtissin ergriffen, einer presste ihr seinen eisenbeschlagenen
Handschuh auf das Gesicht. Unter dem Handschuh rann das Blut hervor. Reynevan warf sich hin und her und riss sich aus den
Händen der überraschten Knechte los. Er sprang hinzu und rannte trotz seiner gefesselten Hände einen der Schergen um, mit
einem Schulterstoß stieß er einen zweiten zurück. Aber schon waren die Münsterberger Knechte über ihm und rissen ihn zu Boden.
Sie bearbeiteten ihn mit den Fäusten.
»Die Gebäude durchsuchen!«, befahl Herzog Johann. »Auch die Klausur. Und wenn sich dort ein Mann befindet ... Wenn wir dort auch nur einen Hussiten finden, ich schwöre bei Gott, dann wird das Kloster teuer dafür bezahlen! Und auch
du wirst teuer dafür bezahlen, Frau Schwester!«
»Nenn mich nicht deine Schwester!«, schrie die Äbtissin, Blut ausspuckend und sich in den Händen der Schergen windend. »Du
bist nicht mehr mein Bruder! Ich sage mich los von dir!«
»Das Kloster durchsuchen! Macht gefälligst schnell! Herr Borschnitz! Herr Risin! Worauf wartet Ihr? Ich habe es befohlen!«
Borschnitz verzog das Gesicht und zerquetschte einen Fluch zwischen den Zähnen. Viele von den durch den Befehl getroffenen
Knechten und Waffenknechten aus Münsterberg machten betretene Gesichter. Viele murrten zornig vor sich hin. Die Schwester
Schaffnerin begann zu weinen. Und der Himmel bewölkte sich plötzlich. Herzog Johann schielte nach oben. Als fürchte er sich
ein wenig.
»Du da, Pater!« Er räusperte sich und nickte dem Kaplan in seinem Gefolge zu. »Du gehst mit ihnen. Damit bei der Durchsuchung |663| ein Priester dabei ist und es mit der Religion seine Ordnung hat. Damit es später kein Gerede gibt.«
Kurz darauf war aus den durchsuchten Räumen das Krachen und Splittern von zerschlagenem Mobiliar zu hören. Aus der Klausur
drangen Geschrei, Quietschen und enttäuschtes Rufen. Aus den Fenstern des Skriptoriums und den Privatgemächern der Äbtissin
flogen Schriftrollen und Handschriften. Der Mauerläufer hob einige von ihnen auf.
»Wyclif?«, lachte er und drehte sich zur Äbtissin um. »Joachim von Fiore? Waldhausen? So etwas wird hier gelesen? Und du Hexe
wagst es, uns zu drohen? Für diese Bücher wirst du im Kerker des Bischofs sitzen, bis du verschimmelst. Und mit der Exkommunikation,
mit der du drohst, wird dein ganzes häretisches Kloster belegt!«
»Es reicht, es reicht, Grellenort!«, ermahnte ihn Johann von Münsterberg zähneknirschend. »Mäßige deinen Ton, und lass sie
in Ruhe! Du spielst dich hier viel zu sehr auf! Herr Seifersdorff, treibt die Leute bei der Durchsuchung an, das dauert mir
alles viel zu lange! Die Schriften da auf einen Haufen! Und verbrennen!«
»Beweise für Häresie?«
»Grellenort! Dass ich dich nicht noch mal zur Ordnung rufen muss!«
Die Schriften wurden im Feuer schwarz und rollten sich zusammen. Die Durchsuchung wurde beendet. In der Klausur waren keine
Männer und keine Hussiten gefunden worden. Die wütende Miene des Mauerläufers sprach für sich selbst. Die saure Miene Herzog
Johanns hingegen besänftigte plötzlich ein Lächeln, sein hübsches Gesicht hellte sich auf. Reynevan, von den Knechten festgehalten,
wandte den Kopf und sah sich um. Er sah, was den Herzog so erfreute. Und dann ließ er den Mut sinken.
Borschnitz und Risin führten Jutta aus der Klausur.
»Ja, ja, Bielau«, hörte er, scheinbar aus weiter Ferne, die Stimme des Herzogs. »Ich weiß viel über dich. Was denkst du, |664| woher ich wohl gewusst habe, dass ich dich hier finde? In Glatz haben sie hussitische Spione gefasst, alle bei lebendigem
Leibe. Einer davon, dein Kamerad, wusste sehr viel. Er hat sich lange dagegen gewehrt zu reden, aber schließlich hat er es
doch getan. Und hat alles erzählt. Von diesem Kloster. Von dir. Und auch von deiner Liebschaft.«
Wie Reynevan es erwartet hatte, machte sich der Tross von Herzog Johann auf den Weg nach Münsterberg. Anders als er es erwartet
hatte, ritt aber der Herzog nicht nach Münsterberg, sondern befahl, in Heinrichau Halt zu machen. Gleich neben dem Kloster.
Den
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