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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Bruder! Schnell!«
     
    Wie eine Wagenburg, die so genannte
hradba
, aufgestellt wurde, hatte Reynevan schon ein paar Mal gesehen. Aber noch nie in einer derart geschickten Anordnung wie jetzt.
     Královecs Waisen tummelten sich wie die Ameisen, und ihre Ordnung und Organisation erweckten Bewunderung. Zuerst wurde das
     Zentrum gebildet, der
nucleus
, ein Ring aus Versorgungswagen, in dessen innerem Kreis die Zugpferde und das Hornvieh kamen. Um das Zentrum herum erwuchs
     sehr rasch die eigentliche
hradba
, ein Viereck aus Kampfwagen. Die Wagenlenker brachten ihre Fahrzeuge geschickt in die richtige Position. Die Pferde wurden
     ausgeschirrt und ins Zentrum gebracht. Die Wagen wurden im System »Rad auf Rad« aufgestellt, so dass das linke Hinterrad eines
     Wagens mit Ketten am Vorderrad des nachfolgenden befestigt werden konnte, wodurch die Seiten der Wagenschanze stufenförmig
     angeordnet waren. In den zwischen einigen Wagen übrig gelassenen Lücken wurde die Artillerie untergebracht, Haubitzen, Tarrasbüchsen
     und kleine Kanonen. Jede Seite wurde aus fünfzig Streitwagen gebildet, die ganze Wagenburg bildete ein Quadrat mit einer Seitenlänge
     von etwa zweihundert Schritten.
    |687| Noch bevor die Dämmerung einsetzte, stand die Wagenburg. Und wartete.
     
    »Wir hatten geplant, Glatz durch Verrat einzunehmen«, wiederholte Brázda von Klinštejn, ganz in Gedanken versunken, sein Löffel
     verharrte schwebend über dem Napf. »Aber es ist nichts daraus geworden. Unsere Leute in der Stadt, sind alle geschnappt worden.
     Und zu Tode gefoltert. Řehors war unter ihnen, es heißt, sie hätten ihn schrecklich gefoltert, auf dem Blutgerüst am Markt.
     Und das Gerücht ging um, dass auch du dort ein schreckliches Ende gefunden hättest. Ich freue mich, dass du davongekommen
     bist.«
    »Ich freue mich auch«, Reynevan biss die Zähne zusammen. »Bisclavret ist auch tot. Sie haben ihn erschlagen. Das ist das Ende
     von Vogelsang.«
    »Du bist noch übrig. Du hast überlebt.«
    »Ich habe überlebt.«
    Brázda schlürfte wieder seine Suppe, aber nicht lange.
    »Wenn die Schlesier heranziehen   ... Wenn sich zeigt, dass   ... Du kannst Schwierigkeiten kriegen, Reynevan. Hast du keine Angst?«
    »Nein.«
    Schweigend löffelten sie die Suppe. Von den Feuern wehten Rauchschwaden herüber. Die Pferde im inneren Ring der Wagenburg
     schnaubten.
    »Brázda?«
    »Was ist?«
    »Ich habe keinen Prediger beim Stab gesehen. Weder Prokupek noch Krečiř   ...«
    »Prokupek   ...« Der Ronovic schnäuzte sich und wischte sich die Nase. »Prokupek ist in Prag und macht Karriere. Er bereitet sich darauf
     vor, Bischof zu werden. Krečiř ist bei Kratzau gefallen, sie haben ihn zusammen mit seinen Schleuderbuben niedergemetzelt,
     so gründlich, dass nicht mehr viel von ihm übrig geblieben ist. Wir hatten noch einen Prediger, aber |688| der war krank und schwächlich. Der ist gestorben. Bei Reinerz haben wir ihn begraben. Zwei Wochen ist das jetzt her.«
    »Also seid ihr   ...« Reynevan räusperte sich. »Also sind wir ohne spirituellen Trost?«
    »Wir haben Wodka.«
     
    Sehr schnell und sehr plötzlich – es war der sechsundzwanzigste Dezember – brach die Dunkelheit herein. Da kamen die Streifen
     und Wachen zurück, die Reiterei des Polen Piotr. Auf dem von Feuern erhellten Platz der Wagenburg drängten sich die Berittenen.
    »Sie kommen!«, meldete der Pole Piotr Královec, noch ganz außer Atem. »Sie kommen, Brüder! Der Deutsche Reynevan hat die Wahrheit
     gesagt, sie kommen! Nur Reiterei, an die tausend Pferde! Auf den Standarten die schlesischen Adler, auch die Zeichen von Troppau
     waren zu sehen! Sie sind in den Kessel hinunter, sind schon kurz vor Glatz! Vor der Morgendämmerung sind sie hier!«
    »Werden sie angreifen?«, fragte Jan Kolda. »Sie hatten eigentlich die Absicht, wie bei Kratzau auf die dahinziehende Kolonne
     einzudringen. Wenn sie aber jetzt merken, dass wir vorbereitet sind? Werden sie angreifen?«
    »Das weiß Gott allein«, erwiderte Královec. »Aber wir haben keine andere Möglichkeit, wir müssen abwarten. Lasst uns beten,
     Gottesstreiter! Vater unser, der du bist im Himmel   ...«
     
    Es war kalt, leichter, trockener Schnee begann zu fallen.
     
    »Was ist das für ein Dorf da vor uns?«
    »Mügwitz, Herzog. Danach kommt dann schon Schwedeldorf   ...«
    »Also wird es Zeit! Es ist Zeit! Die Fahnen voran! Wir werden unter unseren Bannern angreifen!«
    Die Fahnenträger schoben sich an

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