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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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es?«
    »Ich sage gar nichts.«
    »Vernünftig. Denn ich würde es dir auch für jede ausgesprochene Silbe heimzahlen. Oder besser gesagt, deinem Mädchen. Für
     jede Silbe eine Begegnung mit dem glühenden Eisen. Vergiss das nicht, Bielau. Vergiss das auch nicht einen Moment.«
    »Ich vergesse es nicht.«
    »Reite los.«
     
    Im Grottkauer Tor kauerten Bettler, Aussätzige und Landstreicher. Herzog Johann, höchst zufrieden mit sich selbst, wies Marschall
     von Borschnitz an, ihnen eine Hand voll Münzen zuzuwerfen. Die Bettler prügelten sich um die Kupferstücke, die Eskorte ritt
     weiter, das Donnern der Hufe zog mit lautem Widerhall durch das Torgewölbe.
    »Herzog?«
    »Ja?«
    »Wenn Bielau   ...«, Hintsche von Borschnitz hüstelte in seine Faust, »wenn Bielau es schafft   ... Wenn er ausführt, was Ihr befohlen habt   ... Lasst Ihr das Fräulein dann frei? Und vergebt Ihr Bielau dann auch?«
    Johann von Münsterberg lachte spöttisch auf. Dieses Lachen hätte Borschnitz als Antwort eigentlich genügen sollen. Der Herzog
     geruhte jedoch, die Sache zu erklären.
    »Gott ist barmherzig«, erläuterte er ihm, »er vergibt und verzeiht. Manchmal geht er aber in seiner Barmherzigkeit so weit,
     dass er wohl selbst nicht mehr weiß, was er tut. Das hat mir einmal Bischof Konrad von Breslau gesagt, und der Bischof ist
     kein Kleriker wie jeder andere, der kennt sich in diesen Dingen aus. Bevor also, meinte der Bischof, Gott einem Sünder vergibt,
     muss man hier in diesem irdischen Jammertal dafür sorgen, dass der Sünder für seine Vergehen und seine Schuld ordentlich leidet.
     Das sagte der Bischof, und ich denke, das war gut gesprochen. Reinmar von Bielau und seine Gespielin |679| werden also leiden. Sehr leiden. Und wenn sie dann nach ihrem Leiden vor Gottes Antlitz treten, so möge Gott ihnen verzeihen,
     wenn das sein Wille ist. Hast du das verstanden, Marschall?«
    »Ich habe verstanden, Herzog.«
    Der Himmel war von dem heranziehenden Schneegestöber schon völlig verdunkelt. Und von etwas noch Bedrohlicherem.
    Bedrohlicher, weil man nicht wusste, was es war.

|680| Fünfundzwanzigstes Kapitel
    in dem Reynevan eine Entscheidung trifft. Aber nicht alles nimmt ein gutes Ende.
     
    Er ließ Frankenstein hinter sich, nachdem er die Stadt im Süden über Zedlin umgangen hatte. Sein Kopf schmerzte schrecklich,
     Beschwörungen halfen nicht, seine vor Erregung zitternden Hände gehorchten ihm nicht. Der Schmerz trieb Schleier vor seine
     Augen.
    Er ritt wie im Traum. Wie in einem Albtraum. Der Weg, die Straße nach Glatz, ein Teil der Handelsstraße von Breslau nach Prag,
     hörte plötzlich auf, ein gewöhnlicher Weg, eine ihm vertraute Straße zu sein. Er verwandelte sich in etwas, was Reynevan nicht
     kannte und nie zuvor gesehen hatte.
    In den bewölkten und ohnehin dunklen Himmel tropfte plötzlich, wie Tinte in Wasser, eine wirbelnde, pulsierende Wolke undurchdringlicher
     Dämmerung. Rauher Wind kam auf, der die Bäume schüttelte. Das Pferd warf den Kopf hoch, wieherte, schlug aus und wich zur
     Seite. Reynevan ritt, sich mühsam seinen Weg suchend, durch diese ägyptische Finsternis.
    Im Dunkeln glimmen Irrlichter auf. Und rote Augen. Hinter den schwarzen Wolken lugt ein bleicher Mond hervor.
    Das Pferd wiehert und bäumt sich auf.
    Dort, wo das Dorf Tarnau sein sollte, ist kein Dorf. Dort ist ein Friedhof unter verkrüppelten Bäumen. Auf den Gräbern windschiefe
     Kreuze. Manche verkehrt herum in den Boden gerammt, das Oberste zuunterst. Zwischen den Grabhügeln brennen Feuer, in ihrem
     flackernden Schein huschen Schatten vorbei. Auf dem Friedhof wimmelt es von Ungeheuern. Lemuren kratzen mit ihren Krallen
     die Gräber aus. Aus dem gefrorenen |681| Boden steigen Empusen und Necuraten hervor. Muronen und Mormolycien heben ihre Köpfe und heulen den Mond an.
    Inmitten dieser Ungeheuer   – Reynevan sieht es genau – sitzt Drosselbart. Jetzt, im Tode, ist er noch dürrer als einst im Leben, noch kadaverhafter als
     ein Kadaver, er sieht fast wie eine Mumie aus, wie ein altes Skelett, bedeckt nur noch von trockener Haut. Einer der Lemuren
     hält ihn mit den Zähnen am Ellenbogen gepackt, beißt und saugt. Drosselbart scheint es nicht zu merken.
    »Wenn es um das Wohl der Sache geht«, ruft er und blickt Reynevan an, »zählt der Einzelne nicht! Beweise, dass du zu Opfern
     bereit bist! Manchmal muss man das opfern, was man liebt!«
    »Einen Stein auf die Schanze!«, heulen die Lemuren. »Einen

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