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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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die Spitze. Allen voran schwang die Feldstandarte Münsterbergs mit dem zur Hälfte |689| schwarzen, zur Hälfte roten Adler. Neben ihr erhob sich das Zeichen des Bischofs, schwarzer Adler und rote Lilie. Daneben
     blitzte weiß und rot die Standarte von Troppau. Daneben die Schweidnitzer Fahne, ein schwarzer Adler und ein schwarz-weiß
     gemustertes Schachbrett. Und der schwarze Adler von Breslau.
    Johann von Münsterberg in seiner Mailänder Rüstung umstanden die Anführer. Der junge Wenzel, der Erbe von Troppau, der Herzog
     von Leobschütz. Nikolaus Zedlitz von Alzenau, der ein Fähnlein anführte, der Starost von Ottmachau, mit einer goldenen Klammer
     im roten Wappenfeld. Der Marschall des Bischofs, Lorenz von Rohrau. Der Starost von Grottkau, Tamsch von Tannenfeld. Der das
     Schweidnitzer Kontingent anführende Unterstarost Hinko Stosch. Georg Zettritz, der Anführer der Breslauer, leicht zu erkennen
     an dem rot-silbernen Stierkopf im Wappen.
    »Vorwärts!«
    »Herzog! Der junge Kurzbach von der Vorhut!«
    »Her zu mir! Hierher! Rede! Wie sieht es aus? Wo sind die Hussiten?«
    »Sie lagern   ...«, antwortete von seinem Pferd herab der junge Ritter mit den drei goldenen Fischen im Wappen. »Sie lagern bei Altwilmsdorf   ...«
    »Sie befinden sich nicht auf dem Marsch?«
    »Nein. Sie lagern.«
    Die Anführer begannen zu murren. Hinko Stosch fluchte. Tannenfeld spuckte aus. Johann von Münsterberg tummelte sein Pferd.
    »Das spielt keine Rolle!«, schrie er.
    »Dein Spion hat uns offensichtlich verraten, Herzog«, urteilte Georg Zettritz trocken. »Aus der Überraschung wird nichts.
     Was nun?«
    »Das spielt keine Rolle, habe ich gesagt! Wir greifen an!«
    »Die Wagenburg?«, stammelte Lorenz von Rohrau. »Herzog   ... Die Böhmen sind kampfbereit   ...«
    |690| »Sind sie nicht!«, widersprach der Herzog. »Bielau hat uns nicht verraten. Das hätte der gar nicht fertig gebracht! Das ist
     ein Feigling und ein Schwächling! Er weiß, dass ich ihn in der Hand habe, dass ich ihn zugrunde richten kann, ihn und seine
     Gespielin   ... Er würde es nicht wagen   ... Královec, das garantiere ich, weiß nichts von uns, der hat keine Wagenburg gebildet, sondern ein ganz gewöhnliches Nachtlager
     errichtet! Unser Vorteil ist noch größer geworden! Vor der Morgendämmerung sind wir da, im ersten Dämmerlicht fallen wir über
     die Schlafenden her, zerschmettern sie und bringen sie um. Sie werden dem Angriff nicht standhalten, wir zerschlagen sie!
     Gott ist mit uns! Mitternacht ist vorüber, wir haben den siebenundzwanzigsten Dezember, den Feiertag Johannes ’ des Evangelisten,
     meines Patrons! Im Namen Gottes und des heiligen Johannes, vorwärts, Ihr Herren Ritter!«
    »Vorwärts!«, schrie Wenzel von Troppau.
    »Vorwärts!«, echote Nikolaus Zedlitz, der Starost von Ottmachau. Ein wenig zaghafter.
    »Vorwärts! Gott mit uns!«
     
    Auf den Wagen der Wagenburg, dazwischen und darunter warteten zweieinhalbtausend kampfbereite Gottesstreiter. Tausend warteten
     als geschlossene Reserve, bereit, die Gefallenen und Verwundeten zu ersetzen. In der Mitte des Platzes drängte sich die Sturmabteilung
     der Waisen, zweihundert Mann leichte Reiterei.
    Man hatte die Feuer gelöscht. An den Wagen hingen Kessel mit roter Glut.
    »Sie kommen!«, meldeten die zurückkehrenden
hlidki
. »Sie kommen!«
    »Bereit machen!«, befahl Hauptmann Královec. »Reynevan, du bleibst hier bei mir.«
    »Ich will auf einem Wagen kämpfen. In vorderster Linie. Bitte, Bruder.«
    Královec schwieg lange und kaute auf seinem Schnurrbart. |691| Im Mondlicht war sein Gesichtsausdruck nicht zu erkennen.
    »Ich verstehe«, erwiderte er schließlich, »oder besser gesagt, ich kann mir vorstellen, warum. Aber ich muss deine Bitte ablehnen.
     Du bleibst bei mir. Wir beide werden, wenn die Zeit dazu gekommen ist, mit der Reiterei in den Kampf ziehen. Tausend Berittene
     kämpfen gegen uns, Junge. Tausend Berittene. Auf den Wagen, im Feld, überall, glaub mir, sind die Chancen gleich, dass sich
     deine Todessehnsucht erfüllt.«
     
    Die Wagenburg verharrte in Konzentration und Stille, Totenstille, die kaum vom Schnauben der Pferde, dem Klirren der Waffen
     oder dem Husten eines der Gottesstreiter unterbrochen wurde.
    Der Boden begann spürbar zu erzittern. Zuerst leicht, dann immer stärker und heftiger. Reynevans Ohren erreichte das dumpfe
     Gepolter von Hufschlag auf gefrorenem Grund.
    Die Waisen begannen nervös zu husten, die Pferde schnaubten.

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