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Gottesstreiter

Titel: Gottesstreiter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: dtv
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Auf und unter den Wagen blitzten und blinkten die kleinen Feuer
     der Lunten.
    »Warten«, wiederholte Královec von Zeit zu Zeit. Die Anführer gaben den Befehl durch die Linien weiter.
    Das Trommeln der Pferdehufe schwoll an. Es wurde immer lauter. Kein Zweifel mehr. Die im Dunkeln verborgene schwere Reiterei
     ging vom Trab zum Galopp über. Die Wagenburg der Waisen war das Ziel des Angriffs.
    »Jesus Christus«, sagte Královec plötzlich. »Jesus Christus   ... Das ist doch nicht möglich. So dumm können die doch nicht sein!«
    Das Hufetrommeln wurde stärker. Die Erde zitterte. Die Ketten an den Wagen klirrten. Die aneinander schlagenden Spitzen der
     Spieße und Hellebarden klirrten. Das nervöse Husten nahm zu.
    »Zweihundert Schritt!«, brüllte Vilém Jeník von den Wagen herüber.
    |692| »Bereitmachen!«
    »Bereitmachen!«, wiederholte Jan Kolda. »Also Jungs, kneift die Ärsche zusammen!«
    »Hundert Schritt! In Siiiicht!«
    »Feuer!«
    Von der Wagenburg blitzte das Feuer aus tausend Läufen. Tausend Schüsse hallten mit ohrenbetäubendem Lärm wider.
     
    Unter Gewieher, Lärm, Geschützdonner und Waffengeklirr erhellte plötzlich Feuer die Dunkelheit. Anfangs nur dürftig und spärlich
     flackernd, brannte es, angefacht durch den sich erhebenden Morgenwind, plötzlich machtvoll und ungestüm. In hellen hohen Flammen
     standen die Häuser von Schwedeldorf und Altwilmsdorf, brannten die Heustadel am Roten Berg, die Scheunen, Schuppen und Katen
     am Willenberg. Waren die einen auf Královecs Befehl angezündet worden, so hatte Herzog Johann befohlen, im Moment des Angriffs
     die anderen in Brand zu setzen. Der Zweck war ein und derselbe: Es sollte hell werden. Hell genug, um einander töten zu können.
     
    Die aus der Wagenburg abgegebene Salve hatte wahrhaft mörderische Folgen. Unter den Kugeln und Bolzen, die auf ihre Rüstungen
     trafen, fiel die erste Angriffslinie, als hätte der Wind sie umgeblasen; in das Wirrwar von stürzenden Pferden und Menschen
     trampelte die zweite Linie, die heranstürmenden Pferde stolperten und stürzten auf die bereits am Boden liegenden und verletzten
     Tiere, gerieten in Panik und warfen ihre Reiter unter angstvollem Wiehern und Stöhnen ab. In das Ächzen der Pferde mischten
     sich die Schreie der Menschen und stiegen in den nächtlichen Himmel.
    Erst die dritte Linie erreichte die Wagenburg, und obwohl die Wucht ihres Angriffes deutlich gehemmt wurde, erzitterte die
     Wagenburg und knirschte unter dem Aufprall der Panzerreiter. Die Wagen wankten unter dem Ansturm. Aber sie blieben stehen.
     Und auf die gegen sie gedrückten Ritter ging eine |693| Lawine aus Eisen nieder. Von den eigenen von hinten nachsetzenden Gefährten in die Enge getrieben, ohne Möglichkeit, sich
     zurückziehen oder fliehen zu können, verteidigten sie sich, so gut sie konnten, gegen die Hiebe, die auf sie niederprasselten.
     Hussitische Dreschflegel, Streitäxte und Morgensterne zerschmetterten Helme, Hellebarden durchstießen Schulterstücke, Streitäxte
     hieben Arme ab, Kriegshämmer und Streitkolben schlugen zu, Speere und Spieße durchbohrten Brustpanzer.
    Die unter den Wagen verborgenen Armbrustschützen schossen Bolzen auf Bolzen in die Pferdeleiber, Waffenknechte fuhren den
     Reittieren mit Sensen in die Beine. Wiehern, Krachen von Eisen und Schreie erhoben sich über dem Schlachtfeld, in den Säbelklingen
     spiegelte sich blutiger Feuerschein.
    Als Erstes wich das Fähnlein des Bischofs zurück und wurde aufgerieben. Beim Angriff durch eine Salve von der Wagenburg dezimiert,
     traf es, wie auf einen gewaltigen Igel, auf einen Wald von Piken, Spießen und Wurfspießen. Bei diesem Anblick sank Nikolaus
     Zedlitz das Herz, und sein Geist erlahmte völlig. Irgendwelche sinnlosen Kommandos stammelnd und schreiend, wendete der Starost
     von Ottmachau plötzlich sein Pferd, warf seinen Schild mit der goldenen Klammer zu Boden und floh. Ihm hinterher galoppierte
     der Marschall Lorenz von Rohrau. Hinter den beiden machte sich das ganze Fähnlein aus dem Staube – oder das, was davon noch
     übrig war.
    Der Nächste war Wenzel, der Herzog von Leobschütz, der Sohn Przemkos von Troppau. Wenzel, ein leidenschaftlicher Anhänger
     der Geheimwissenschaften, hatte den ganzen Weg über an dem geheimnisvollen Horoskop herumgerätselt, das seine Hofastrologen
     vor dem Feldzug erstellt hatten. Jetzt, als die Troppauer Ritter unter den Schlägen hussitischer Dreschflegel fielen, gelangte
     er zu

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